Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine teleologische Reduktion der Nachbehaltensfrist des § 6a Satz 4 GrEStG bei freiwilliger Anteilsveräußerung vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: II R 30/23)
Leitsatz (amtlich)
In Fällen, in denen Anteile einer (mittelbar) grundstückshaltenden Gesellschaft weniger als fünf Jahren nach einem grunderwerbsteuerbaren, aber nach § 6a Satz 1 und Satz 2 GrEStG begünstigten Rechtsvorgang in einem seinerseits grunderwerbsteuerbaren Rechtsvorgang an einen konzernfremden Dritten veräußert werden, verletzt dies die Nachbehaltensfrist nach § 6a Satz 4 GrEStG, der nicht teleologisch zu reduzieren ist.
Normenkette
AO § 175; GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1, § 5 Abs. 3, § 6 Abs. 4, § 6a Sätze 1-4
Tatbestand
Strittig ist, ob der Beklagte für die unmittelbare bzw. mittelbare Vereinigung von mindestens 95% der Anteile an grundbesitzhaltenden Gesellschaften in der Hand der Klägerin am 3. Dezember 2013 zu Recht Grunderwerbsteuer erhoben hat, nachdem die Alleingesellschafterin der Klägerin ihre Anteile an der Klägerin innerhalb von weniger als fünf Jahren nach dem 3. Dezember 2013 an einen Dritten veräußert hatte, oder ob - wie die Klägerin dies fordert - eine teleologische Reduktion von § 6a Satz 4 GrEStG in der Weise vorzunehmen ist, dass nach § 6a Satz 1, Satz 3 GrEStG von einer Besteuerung abzusehen ist.
Die Klägerin (K-GmbH, in internen Unterlagen der Klägerin auch "…" genannt) war seit Ende 2007 und auch im Jahr 2013 eine 100%-ige Tochtergesellschaft der X- Beteiligungsgesellschaft mbH (so firmierend bis 17. November 2014, anschließend umfirmiert zur … GmbH; ab 12. Dezember 2017 erneut umfirmiert zur … GmbH, vgl. Bl. 283 ff. Grunderwerbsteuerakten Band Ib; im Folgenden: "X-Beteiligungen GmbH").
Die X-Beteiligungen GmbH - die Muttergesellschaft der Klägerin - hielt zunächst neben ihrer 100%-Beteiligung an der Klägerin unter anderem eine Beteiligung in Höhe von 5,1% an der X-GmbH (Ort der Geschäftsleitung in …), deren übrige Anteile in Höhe von 94,9% von der Klägerin selbst gehalten wurden. Hierbei hielt die X-GmbH in erheblichem Umfang Betriebsgrundstücke. Sie war außerdem zu 100% an der ebenfalls grundbesitzhaltenden X- Grund und Boden GmbH beteiligt.
Zudem hielt die X-Beteiligungen GmbH auch 5,1% an den ebenfalls grundstücksverwaltenden Gesellschaften A-AG und B-AG, während die Klägerin jeweils die übrigen 94,9% der Anteile an den vorgenannten Gesellschaften hielt.
Zugleich war die Klägerin eine 100%-ige Enkelgesellschaft der X Group GmbH & Co. KG (so firmierend bis 20. Oktober 2014 und nachfolgend als X-GmbH & Co. KG bezeichnet; dann in Folge eines Formwechsels umgewandelt zur X Group GmbH; ab 22. Februar 2018 umfirmiert zur X Invest GmbH; vgl. Bl. 277 ff. Grunderwerbsteuerakten Band Ib), deren Gesellschafter ausschließlich natürliche Personen mit Beteiligungen von jeweils weniger als 95% waren.
Hinsichtlich einer graphischen Übersicht über die Beteiligungsstruktur bis zur verfahrensgegenständlichen Unternehmensumstrukturierung zum 3. Dezember 2013 wird auf die Darstellung gemäß Bl. 147 Gerichtsakte verwiesen.
Mit Antrag auf verbindliche Auskunft vom 17. Juli 2013 (Anlage K4, Bl. 1 ff. Grunderwerbsteuerakten Band Ia, Bl. 143 ff. Gerichtsakte) informierten die X-Beteiligungen GmbH und die Klägerin verschiedene Finanzämter - darunter auch den Beklagten - darüber, dass beabsichtigt sei, die jeweiligen 5,1%-Beteiligungen der X-Beteiligungen GmbH im Wege der Einzelrechtsnachfolge durch Einbringung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auf die Klägerin zu übertragen. Hinsichtlich einer graphischen Übersicht über die geplante Beteiligungsstruktur nach der verfahrensgegenständlichen Unternehmensumstrukturierung wird auf die Darstellung gemäß Bl. 148 Gerichtsakte verwiesen. Unter Punkt II.3 des Antrags auf verbindliche Auskunft (Bl. 149 Gerichtsakte) wurde der Beklagte um seine verbindliche Auskunft zu der Frage gebeten, ob die Grunderwerbsteuer, die aufgrund der Einbringung der 5,1%-Beteiligung an der X-GmbH in die Klägerin bezüglich der Grundstücke der X-GmbH und ihrer Tochtergesellschaften (insbesondere der X-Grund und Boden GmbH) entstehe, nach § 6a GrEStG nicht erhoben werde.
Mit Schreiben vom 25. November 2013 (Anlage K5, Bl. 41 f. Grunderwerbsteuerakten Band Ia, Bl. 159 f. Gerichtsakte) erteilte der Beklagte der X-Beteiligungen GmbH und der Klägerin die verbindliche Auskunft, dass für die vorgenannte Einbringung nach § 6a GrEStG keine Grunderwerbsteuer erhoben werde.
Mit Einbringungsvertrag des Notars … vom 3. Dezember 2013 (UR.-Nr. …, Anlage K6, Bl. 161 ff. Gerichtsakte) beschloss die X-Beteiligungen GmbH als alleiniger Gesellschafterin der Klägerin zunächst eine Kapitalerhöhung und die Ausgabe eines neuen Geschäftsanteils an der Klägerin in Höhe von 1.000.000 Euro. Diesen neuen Geschäftsanteil an der Klägerin übernahm die X-Beteiligungen GmbH selbst und erbrachte hierfür eine Sacheinlage, indem sie unter anderem den von ihr bis dato unmittelbar gehaltenen 5,1%-A...