Entscheidungsstichwort (Thema)
Zahlungsverjährung wird auch durch mündlichen Vollstreckungsaufschub unterbrochen
Leitsatz (amtlich)
Die Unterbrechung der Zahlungsverjährung „durch Vollstreckungsaufschub“ gemäß § 231 Abs. 1 Satz 1 AO setzt nicht voraus, dass der Vollstreckungsaufschub schriftlich gewährt wird. Es reicht vielmehr aus, wenn das Finanzamt dem Vollstreckungsschuldner - gegebenenfalls auch mündlich im Rahmen einer Ratenzahlungsvereinbarung - zusagt, von der zwangsweisen Durchsetzung seines Anspruchs für eine bestimmte Zeit absehen zu wollen.
Normenkette
AO § 231 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, §§ 258, 119 Abs. 2, § 125
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Zahlungsverjährung von Steueransprüchen.
Die Klägerin hatte beim Finanzamt M am 10. Mai 2007 - resultierend aus dem Betrieb einer Gaststätte - noch Steuerrückstände i.H. von 35.266,12 € (Hauptforderung: 8.152,85 €; Säumniszuschläge: 27.113,27 €). Die Hauptforderung betrifft rückständige Einkommensteuer-Vorauszahlungen (1. Vj. 1997 - 4. Vj. 1997), Einkommensteuer-Zinsen (1989 - 1993), Solidaritätszuschlag (1995, 3. Vj. 1996, 1. Vj. 1997 - 4. Vj. 1997), Kirchensteuer (1995, 2. und 3. Vj. 1996, 1. Vj. 1997 - 4. Vj. 1997) sowie Vollstreckungskosten. Die Beträge wurden im Wesentlichen zwischen dem 10. März 1995 und dem 10. März 1999 fällig. Wegen der Einzelheiten wird auf die Forderungsaufstellung vom 10. Mai 2007 verwiesen (vgl. Bl. 6 f. d. Abrechnungsakte).
In den Jahren 1998 und 1999 führte das Finanzamt M hinsichtlich der vorgenannten Steuerrückstände diverse Vollstreckungsmaßnahmen durch, darunter eine fruchtlose Pfändung am 15. April 1999 (Bl. 68 ff. und 66 f. d. Vollstreckungsakten).
Mit Schreiben vom 03. Mai 2001 teilte das Finanzamt M der Klägerin mit, in Anbetracht u.a. der in der Vergangenheit erfolglos gebliebenen Vollstreckungsmaßnahmen bedürfe es ihrer Vorsprache an Amtsstelle am 16. Mai 2001. Das Gespräch solle dazu dienen, Perspektiven aufzuzeigen, wie für die Zukunft eine Möglichkeit gefunden werden könne, die ausstehenden Rückstände zu tilgen, sowie eine Überprüfung der bestehenden Steuerrückstände durchzuführen (Bl. 74 d. Vollstreckungsakten). Am 16. Mai 2001 sprach die Klägerin daraufhin beim Finanzamt M vor. Lt. einem handschriftlichen Aktenvermerk des zuständigen Sachbearbeiters der Vollstreckungsstelle wurde ihr in dem Gespräch mitgeteilt, dass sie weiterhin per Dauerauftrag monatlich 300,00 DM an das Finanzamt M überweisen solle (vgl. Bl. 77 Rückseite d. Vollstreckungsakten).
In der Folgezeit leistete die Klägerin die auferlegten Ratenzahlungen regelmäßig. Vollstreckungsmaßnahmen wurden seitens des Finanzamt M nicht mehr durchgeführt.
Auf eine Aufforderung des Finanzamts M am 10. Mai 2007, zwecks Überprüfung der Ratenhöhe einen Fragebogen sowie verschiedene Unterlagen einzureichen, ließ die Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 31. Mai 2007 mitteilen, bezüglich der in der Forderungsaufstellung aufgeführten Steuerschulden und Säumniszuschläge werde Zahlungsverjährung gemäß § 229 AO geltend gemacht. Der im mündlichen Gespräch am 16. Mai 2001 an Amtsstelle zugesagte "Vollstreckungsaufschub" könne nicht als verjährungsunterbrechende Handlung angesehen werden, da es sich nur um eine innerdienstliche Maßnahme ohne Außenwirkung handele. Somit sei spätestens zum 31. Dezember 2006 Zahlungsverjährung eingetreten (Bl. 97 ff., 101 f. d. Vollstreckungsakten).
Auf einen entsprechenden Antrag der Klägerin erließ der Beklagte unter dem 24. September 2008 einen Abrechnungsbescheid nach § 218 Abs. 2 AO, wonach die Verjährung der Steueransprüche lt. beigefügter Forderungsaufstellung erst zum 31. Dezember 2012 anstehe, diese also weiterhin geschuldet würden (Bl. 37 ff. d. Abrechnungsakte).
Hiergegen legte die Klägerin am 24. Oktober 2008 Einspruch ein, den der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 23. Juni 2010 als unbegründet zurückwies (Bl. 52 ff. d. Abrechnungsakte).
Mit der hiergegen am 13. Juli 2010 bei Gericht eingegangenen Klage trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, der im mündlichen Gespräch am 16. Mai 2001 an Amtsstelle zugesagte "Vollstreckungsaufschub" könne nicht als verjährungsunterbrechende Handlung angesehen werden. Gemäß AEAO zu § 231 AO sei für die Unterbrechung notwendig, dass das "maßgebliche Schriftstück" vor Ablauf der Verjährungsfrist die Finanzbehörde verlassen habe. Gleiches fordere auch der BFH in seinem Urteil vom 23. April 1991 mit der Begründung, dass nur bei Mitteilung eines bewilligten Vollstreckungsaufschubs der Vollstreckungsschuldner wisse, dass eine Verjährung nicht eintreten könne. Einer das Finanzamt zu nichts verpflichtenden, nur innerdienstlich wirkenden Maßnahme könne - vergleichbar einer Niederschlagung, die ebenfalls keine Außenwirkung entfalte - keine die Verjährung unterbrechende Wirkung beigemessen werden. Die Vorsprache der Klägerin an Amtsstelle am 16. Mai 2001 sei als Antrag nach § 258 AO zu werten. Werde ein Antrag nach § 258 AO gestellt, müsse die Entscheidung darüber durch Bescheid d....