Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzug besonderer ausbildungsbedingter Aufwendungen bei der Berechnung des Grenzbetrages für Einkünfte und Bezüge
Leitsatz (redaktionell)
Bei der Berechnung des Grenzbetrages für Einkünfte und Bezüge sind besondere ausbildungsbedingte Aufwendungen abzusetzen, auch wenn sie formal keine Werbungskosten darstellen, weil sie nicht im Zusammenhang mit als Einkünften zu qualifizierenden Ausbildungsvergütungen angefallen sind.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2 Buchst. a, S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob dem Kläger für seinen Sohn ... für die Zeit, in der dieser an der University of ... ein Zusatzstudium mit dem Ziel "Masters of Law (LLM)" absolvierte, Kindergeld zusteht.
Der Kläger ist der Vater des am 15. Juli 1970 geborenen ... Seit dem Wintersemester 1990/91 war ... für den Studiengang Rechtswissenschaft immatrikuliert. Am 13. Februar 1995 legte ... die erste juristische Staatsprüfung ab. In der Zeit vom 1. April 1995 bis 31. März 1996 war ... an der University of ... für ein Zusatzstudium mit dem Ziel "Masters of Law (LLM)" immatrikuliert. Am 1. Juli 1996 trat er den Vorbereitungsdienst an.
Da der Kläger der Familienkasse bei Aufnahme des Studiums seines Sohnes mitgeteilt hatte, dass sein Sohn voraussichtlich 16 Semester studieren werde, wurde die Kindergeldzahlung damals technisch bis März 1997 befristet. Tatsächlich wurde Kindergeld bis Oktober 1996 gewährt. Mit Bescheid vom 11. April 1997 hob der Beklagte die Bewilligung von Kindergeld rückwirkend auf und forderte das für die Monate Januar bis Oktober 1996 gewährte Kindergeld in Höhe von 2.000 DM vom Kläger zurück. Der dagegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg. Der Beklagte führte in seiner Einspruchsentscheidung aus, dass das Zusatzstudium nicht zu einer zusätzlichen beruflichen Qualifikation führe und deshalb nicht als Ergänzungs- oder Aufbaustudium anzuerkennen sei. Es führe lediglich zu einem akademischen Grad, der für die Ausbildung nicht notwendig sei.
Mit seiner Klage wehrt der Kläger sich gegen die Rückforderung des für die Zeit von Januar bis Juni 1996 gezahlten Kindergeldes für ...
Zur Begründung trägt er vor, ... habe sich während des Zusatzstudiums an der University of ... in Ausbildung befunden; die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung seien damit erfüllt. Im Mai 1996 habe ... erfolgreich seine Abschlussarbeit vorgelegt.
Das zu versteuernde Einkommen des Sohnes ... im Jahr 1996 habe gemäß Einkommensteuerbescheid 11.160 DM betragen; der Grenzbetrag für Einkünfte und Bezüge sei damit nicht überschritten. Zwar habe ... für das Auslandsstudium ein Stipendium erhalten; dieses habe aber in einer einmaligen Zahlung von 1.500 Pfund bestanden; ein entsprechender Beleg in englischer Sprache wurde vorgelegt. Neben den im Jahr 1995 beglichenen Studiengebühren seien ... folgende weiteren Aufwendungen entstanden:
2 Flüge im Jahr 1996 a 600 DM
Aufwendungen für auswärtige Unterbringung und Verpflegungsmehraufwendungen für den gesamten Zeitraum von einem Jahr in Höhe von ca. 2.500 DM
Kosten für das Drucken und Binden der Magisterarbeit 300 DM
Anschaffung eines Laptops im Jahr 1995 für 2.100 DM.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid über die Rückforderung von Kindergeld vom 11. April 1997 und die Einspruchsentscheidung vom 6. August 1998 aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er ist der Auffassung, der Grenzbetrag für Einkünfte und Bezüge von 12.000 DM im Streitjahr sei im Streitfall überschritten. Maßgeblich sei nicht das zu versteuernde Einkommen, sondern der Gesamtbetrag der Einkünfte. Dieser betrage 14.022 DM. Zudem habe der Kläger nicht nachgewiesen, dass ... im Jahr 1996 keine Zahlungen aufgrund des Stipendiums erhalten habe. Die studienbedingten Mehraufwendungen könnten nicht berücksichtigt werden, da sie keine Werbungskosten darstellten.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Dem Kläger steht für seinen Sohn ... Kindergeld für 1996 zu.
Bis März 1996 ist ... gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG zu berücksichtigen, da er sich in Ausbildung befand. Der BFH hat mit Urteilen vom 9. Juni 1999 (Aktenzeichen VI R 33/98 zu Sprachaufenthalt, VI R 34/98 zu Collegebesuch, VI R 50/98 zu Volontariat, VI R 143/98 zu Au-Pair-Aufenthalt und VI R 16/99 zu freiwilligem Praktikum) entschieden, dass der Begriff der Berufsausbildung im Sinne des § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG unter Berücksichtigung des Gesetzeszwecks der steuerlichen Freistellung des Existenzminimums des Kindes auszulegen ist. Als Berufsausbildung sind danach alle Maßnahmen anzusehen, die dem Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen dienen, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind, unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungs- oder Studienordnung vorgeschrieben sind oder nicht.
Die Zusatzqualifikation "LLM" ist für die Ausübung des Anwaltsberufs zwar nicht vorgeschrieben, ...