Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzungsverjährung bei Unterbrechung einer Betriebsprüfung; Anerkennung von Verträgen zwischen nahe stehenden Personen
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der nachfolgend dargestellten Konstellation tritt wegen mehr als sechsmonatiger Unterbrechung der Betriebsprüfung rückwirkend Festsetzungsverjährung ein:
Die Prüfungsanordnung erging vor Ablauf des Jahres, in dem die Festsetzungsfrist ablief (00); für den Beginn der Prüfung wurde der 11.12. des Jahres 00 mitgeteilt. Der Steuerpflichtige beantragte den Beginn der Prüfung zu verschieben auf frühestens Ende Januar des Folgejahres (01) und beantragte die Durchführung der Prüfung an Amtsstelle. Im August des Folgejahres (01) teilte der Prüfer mit, dass die Prüfung an Amtsstelle durchgeführt werde und forderte Unterlagen an (Daten-CD, Verträge, Belege). Der Steuerpflichtige übersendete nur die Daten-CD. Von November 01 bis April 02 war der Prüfer arbeitsunfähig erkrankt. Wegen eines Einspruchs und nachfolgender Klage ein anderes Jahr betreffend waren die Steuerakten zunächst bei der Rechtsbehelfsstelle und sodann beim Finanzgericht. Im August 02 holte der Prüfer die Akten beim FG ab, überspielte die Daten der CD und begann mit der Prüfung dieser Daten. Im September 02 wurde ein Fragenkatalog an den Steuerpflichtigen gerichtet.
Die Anforderung der Daten-CD und weiterer Unterlagen ist als qualifizierte Prüfungshandlung und damit als Prüfungsbeginn zu werten.
Bei dieser Konstellation kommt § 171 Abs. 4 Satz 1 AO nicht mehr zur Anwendung, sondern ausschließlich § 171 Abs. 4 Satz 2 AO.
2. Ein Pachtvertrag mit dem Lebenspartner ist steuerlich nicht anzuerkennen, wenn seine Gestaltung und Durchführung nicht fremdüblich ist und auf einen Gleichklang der wirtschaftlichen Interessen schließen lässt.
Normenkette
AO § 169 Abs. 2 S. 1 Nr. 2, § 170 Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 171 Abs. 4 Sätze 1-2, § 147 Abs. 6 S. 2; EStG § 4 Abs. 4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob Festsetzungsverjährung eingetreten und ob ein Pachtverhältnis anzuerkennen ist.
Der Kläger ist Arzt. Seit über 30 Jahren lebt er in einer gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft mit seinem Lebenspartner S. Seit 2011 werden die Lebenspartner zusammen veranlagt. Der Kläger erwarb in 1991 die Privatklinik "Villa M" in E, die er bis zum 31. Oktober 2008 in einem gepachteten Gebäudekomplex in der K-Straße in E betrieb. Die Gewinnermittlung beruhte auf § 4 Abs. 1 EStG. In 1991 hatten S und drei weitere Personen (W GbR) das Anwesen einschließlich Inventar vom vormaligen Betreiber der Klinik Dr. G erworben. Der Kläger und S erwarben die Anteile der anderen Personen im Laufe der Jahre, bis sie ab 1. Januar 1997 gemeinsam beteiligt waren, der Kläger zu 6 % und der S zu 94 %. Am 12. Oktober 2005 übertrug der Kläger seinen Anteil an der Grundstücksgesellschaft an S (Vertrag: Blatt 54 der Prozessakte). Dieser war fortan Alleineigentümer. 2008 verkaufte der Kläger den Klinikbetrieb für 1 Million € und S das Anwesen an einen thailändischen Klinikbetreiber. Als Verwaltungsleiter der Klinik bezog S Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er ist von Beruf Diplom-Ingenieur und Architekt. Bis zum 30. Januar 2010 war er noch in der Klinik beschäftigt.
Am 15. November 2012 erging gegenüber dem Kläger eine Prüfungsanordnung für Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuermessbeträge der Jahre 2006 bis 2008. Mit Schreiben vom 29. November 2012 teilte die BP-Stelle dem Kläger mit, dass beabsichtigt sei, die Prüfung am 11. Dezember 2012 in dessen Wohnung in R zu beginnen. Mit Schreiben vom 06. Dezember 2012 beantragte der Kläger die Verlegung des Prüfungsbeginns auf frühestens Ende Januar/Anfang Februar 2013. Zugleich beantragte er die Durchführung der Prüfung an Amtsstelle und teilte mit: "Die Unterlagen/Daten werden Ihnen in gewohnter Form zur Verfügung gestellt." Mit Schreiben vom 07. August 2013 wies die BP den Kläger darauf hin, dass die Prüfung an Amtsstelle erfolgen solle und dass die für die Durchführung erforderlichen Unterlagen (Daten-CD, Verträge, Belege usw.) noch fehlten. Dem Kläger wurde eine Frist zur Vorlage der Unterlagen bis zum 09. September 2013 gesetzt. Mit Schreiben vom 27. August 2013 und 30. August 2013 schlug der Kläger vor, die Belege in den Räumen der Villa M einzusehen und die Prüfung an Amtsstelle durchzuführen. Dies lehnte die Prüferin nach Darstellung des Beklagten telefonisch ab; nach der Darstellung des Klägers erklärte sie sich gegenüber der Prozessbevollmächtigten mit dem klägerischen Vorschlag telefonisch einverstanden. Mit Schreiben vom 03. September 2013 wurde die Daten-CD übersendet. In der Zeit vom 14. November 2013 bis 25. April 2014 war die Prüferin arbeitsunfähig erkrankt. Wegen eines Einspruchs betreffend das Jahr 2005 befanden sich die Steuerakten seit dem 04. Juni 2013 bei der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten. Am 08. Januar 2014 wurden die Akten für die Jahre 2005 bis 2007 an das Finanzgericht übersendet. Am 06. ...