rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Toupet für Mann keine außergewöhnliche Belastung
Leitsatz (amtlich)
Auch bei nicht erblich bedingtem Haarausfall eines Mannes ist die Anschaffung eines Toupets regelmäßig keine außergewöhnliche Belastung.
Normenkette
EStG § 33
Tatbestand
Streitig ist, ob Aufwendungen des Klägers von 850,00 € zum Erwerb eines künstlichen Haarteils (Toupet) als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig sind.
Die Kläger sind zur Einkommensteuer 2006 zusammenveranlagte Eheleute. Der im November 1939 geborene Kläger bezeichnet sich als Rentner, die 1941 geborene Ehefrau als Hausfrau.
Im - wegen anderer Punkte geänderten - Einkommensteuerbescheid 2006 vom 6. Mai 2008 lehnte es das Finanzamt - anders als in den vorausgegangenen Jahren ab 2001 - ab, neben Aufwendungen für allgemeine Krankheitskosten von (unstreitig) 2.130,00 € weitere Kosten von 850,00 € zum Erwerb eines Toupets für den Kläger als außergewöhnliche Belastungen anzuerkennen (Bl. 58 ESt-Akte).
Mit ihrem hiergegen eingelegten Einspruch machten die Kläger unter Vorlage der Kopie eines am 12. Februar 2001 ausgestellten Rezepts eines Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie (im Folgenden: Neurologe; Bl. 42 ESt-Akte) geltend, dass dem Kläger seit 1970 krankheitsbedingt alle zwei Jahre ein künstliches Haarteil ärztlich verschrieben worden sei; die diesbezüglichen Kosten habe die Krankenkasse bis zur gesetzlichen Neuregelung einschließlich des Jahres 2000 übernommen. Der Kläger leide unter einer unheilbaren Alopezie bzw. Alpezia, welche u.a. zu einer vom Versorgungsamt (jetzt: Amt für soziale Angelegenheiten) festgestellten Körperbehinderung geführt habe (vgl. beigefügte Kopie einer gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsamts vom 7. Oktober 1996, Bl. 50 ESt-Akte). Das Finanzamt habe die Kosten in den Jahren 2001, 2003 und 2005 anerkannt. Mangels steuerlicher Auswirkungen seien die Aufwendungen für 2002 und 2004 nicht geltend gemacht worden. Es gehe nicht an, dass das Finanzamt nunmehr die Bescheinigung eines Amts- oder Vertrauensarztes verlange; dies widerspreche dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Bei einer anerkannten Erkrankung genüge die einmalige Vorlage einer ärztlichen Verordnung. Dies sei geschehen.
Mit Entscheidung vom 9. Juni 2008 wies das Finanzamt den Einspruch unter Hinweis auf das BFH-Urteil vom 15. März 2007 (III R 28/06, BFH/NV 2007, 1841) als unbegründet zurück. Zur Berücksichtigung der Aufwendungen sei grundsätzlich ein vor der Behandlung ausgestelltes amts- oder vertrauensärztliches Gutachten erforderlich, aus dem sich die Krankheit und medizinische Notwendigkeit zweifelsfrei ergebe. Im Streitfall sei der Kläger auch nicht bereit, ein nachträgliches Gutachten erstellen zu lassen.
Mit der vorliegenden Klage wird ausgeführt, dass die Erkrankung des Klägers über 40 Jahre zurückliege und es seinerzeit unmöglich gewesen wäre, „mit einem glatt rasierten Schädel sich unter all den Langhaarigen zu bewegen“. Die Vorlage eines Rezepts durch den Neurologen müsse zum Nachweis der Zwangsläufigkeit ausreichen. Es habe sich um eine letztmalige Verordnung gehandelt, weil die Krankenkasse ab 2001 die diesbezüglichen Aufwendungen nicht mehr erstatte.
Die Kläger beantragen,
den geänderten Einkommensteuerbescheid 2006 vom 6. Mai 2008 in der Fassung der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 9. Juni 2008 dahin zu ändern, dass weitere außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG von 850,00 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hält an seiner Auffassung fest und meint, dass sich bereits aus der Ablehnung der Krankenkasse, die Kosten des durch einen Neurologen verordneten Toupets zu übernehmen, die Zweifelhaftigkeit einer diesbezüglichen medizinischen Indikation ergebe. Die klägerische „Alopecia“ sei nur teilweise in die Feststellung des Grads der Behinderung des Klägers eingegangen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Die geltend gemachten Aufwendungen können mangels Vorlage eines amtsärztlichen Zeugnisses bzw. einer gutachtlichen Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nicht als außergewöhnliche Belastungen (§ 33) zu einer Steuerminderung führen.
Das Gericht geht zwar davon aus, dass der Kläger von einer entzündlichen Haarausfallerkrankung („Alopecia areata“) befallen war, und nicht an einem erblich bedingten Haarausfall „androgenetische Alopezie“ leidet, da die „Alopecie“ in der gutachtlichen Stellungnahme des Versorgungsamtes vom 7. Oktober 1996 mit 10 % in die Feststellung des Grads der Behinderung eingeflossen ist. Ob der Kläger deshalb an einer „psycho-vegetative Dystonie bzw. einem depressiven Syndrom“ - eingeflossen mit 10 % in die Feststellung des Grads der Behinderung - erkrankt ist, kann das Gericht mangels eines entsprechenden Gutachtens nicht feststellen.
Sollte der Kläger tatsächlich an der meistens durch eine Immunreaktion hervorgerufenen „Alopecia areata“ leiden, handelt es sich zwar um eine Krankheit, deren...