Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerpflicht von Scheinrenditen aus Schneeballsystem
Leitsatz (amtlich)
1. Zu den Voraussetzungen für die Annahme einer stillen Gesellschaft:
Für die Annahme eines Gesellschaftsverhältnisses (in Form einer Risikogemeinschaft) spricht insbesondere, wenn den Anlegern eine erhebliche Erfolgsbeteiligung an den Geschäften zugesagt wird und sie überdies bis zur Höhe ihres Kapitals an den Verlusten aus den getätigten Handelsgeschäften beteiligt werden. Die Kapitalanlagen beinhalten damit sowohl erhebliche Gewinnchancen als auch beträchtliche Risiken, die nicht nur in der erwähnten Verlustbeteiligung, sondern auch im Fehlen jeglicher Sicherheit begründet sind. Eine derartige Risikogemeinschaft, vor allem die Vereinbarung der Verlustbeteiligung, bildet ein typisches Merkmal eines Gesellschaftsverhältnisses.
Gedanken des Verbraucherschutzes stehen der Annahme einer stillen Gesellschaft nicht entgegen.
2. Zum Zufluss von Kapitalerträgen bei Novation:
Bei Wiederanlage von Erträgen liegt ein Zufluss vor, solange die Anleger tatsächlich die Wahl haben, sich die Erträge auszahlen zu lassen.
3. Zur Annahme eines Treuhandverhältnisses:
Ein treuhänderisches Halten von Kapitalbeteiligungen durch den Initiator des Schneeballsystems kann nicht angenommen werden, wenn keine Anhaltspunkte für eine Abhängigkeit von Weisungen der Anleger hinsichtlich der Gestaltung der Anlagen vorliegen und das angebliche Treugut in den Bilanzen des angeblichen Treuhänders nicht dargestellt ist.
Normenkette
EStG § 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 4; AO § 41 Abs. 1 S. 1
Nachgehend
BFH (Beschluss vom 15.10.2014; Aktenzeichen VIII R 20/13) |
Tatbestand
Streitig ist die einkommensteuerliche Berücksichtigung von Erträgen, die aus einer in betrügerischer Absicht im Rahmen einer als Schneeballsystem betriebenen Kapitalanlage gezahlt worden sind.
Die Kläger werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt, §§ 26, 26b EStG. Sie haben neben den hier streitigen Einkünften solche aus nichtselbständiger Arbeit. Seit dem Jahre 1987 standen sie in Geschäftsbeziehungen zu der Firma C GmbH (im Folgenden: C).
Die C wurde 1985 gegründet. Gegenstand des Unternehmens war die Unternehmensberatung und Vermittlung von Kapitalanlagen. Alleiniger Gesellschafter/Geschäftsführer war seit Februar 1986 Herr C. K. (in der Folge K). Am 1. Oktober 2001 wurde eine weitere Person als Geschäftsführer, Frau U. L. (damals J.) bestellt. Im Laufe des Oktober 2001 wurde durch Ermittlungsmaßnahmen gegen die C GmbH und Anordnung der Untersuchungshaft gegen K bekannt, dass ein Ermittlungsverfahren gegen diesen wegen des Verstoßes gegen das Kreditwesengesetz eingeleitet worden war. Am 2. November 2001 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der C eröffnet. K wurde wegen Betruges zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er ist mittlerweile verstorben.
Insgesamt warb die C ca. 2.800 Kunden als Kapitalanleger an, wobei durch den wichtigsten Vermittler, den gelernten Maschinenbauschlosser E. N. (im Folgenden: N), im Raum B ca. 2000 Anleger geworben wurden. Die C betätigte sich nach der Darstellung K´s mit der Vermittlung von Kontrakten im Termingeschäft (angeboten als nichtsteuerbare Differenzgeschäfte) und später innerhalb der I-Pools mit Währungs- und Devisenfutures, also mit Finanzterminkontrakten an verschiedenen US-Börsen. Bis 1998 wurden zum Teil reale Termingeschäfte von der C abgewickelt. Nach den Feststellungen im Ermittlungsverfahren gegen K handelte es sich in den Jahren 1993 bis 1998 um ein Handelsvolumen in Höhe von insgesamt 8 Millionen US-Dollar. Soweit tatsächlich Börsentermingeschäfte durch die C getätigt wurden, erfolgte dies bis 1993 durch das Brokerhaus D. Nach K´s Angaben konnte sie durch Börsentermingeschäfte bis 1993 einen Gewinn in Höhe von 1 Million US-Dollar realisieren. Nach Schließung des Büros dieses Brokerhauses wurden die Geschäfte über das Brokerhaus P fortgesetzt. K eröffnete bei dem Brokerhaus P im Jahre 1993 zwei Konten auf die C GmbH. Dies waren ein sog. Aktien- bzw. Commoditykonto und ein Konto, auf dem Treasury Bills verbucht wurden. Für beide Konten hatte ausschließlich K Kontovollmacht. Es handelte sich jeweils um ein sog. "Omnibuskonto", für das keine Unterkonten bestanden. Allein K traf über dieses Konto Anlageentscheidungen. Durch Verluste des Jahres 1993 auf Grund von Fehlentscheidungen wurden sowohl erwirtschaftete Gewinne als auch angelegte Kundengelder größtenteils aufgebraucht. K begann daraufhin, zur Vertuschung der Verluste Abrechnungen zu fingieren. Es wurden von Anlegern vereinnahmte Anlagegelder im Rahmen eines Schneeballsystems an diese als Rendite ausgezahlt. Dies erfolgte zwischen 1993 und 1998. Mitte 1998 wurden letztmals über das Brokerhaus P Börsengeschäfte durch die C durchgeführt. Nach 1998 hat K keinerlei Handel mit Brokerhäusern mehr betrieben und sämtliche Vorgänge, die reale Geschäfte vortäuschen sollten, fingiert. Im Jahre 1998 kam es wegen geplanter Änderung der Steuergesetze ab 1999 zu erheblichen...