Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage, ob die Beschränkung des Betriebsvermögensfreibetrags und des Wertabschlags in § 13a Absatz 4 ErbStG auf das inländische Betriebsvermögen gegen die Kapitalverkehrsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit verstößt
Leitsatz (amtlich)
Gehört zum Nachlass einer im Inland ansässigen Erblasserin land- und forstwirtschaftliches Vermögen, welches in einem anderen EU-Mitgliedsstaat belegen ist, so ist es weder aus verfassungsrechtlichen noch aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen geboten, die auf das Auslandsvermögen entfallende Erbschaftsteuer – entgegen § 21 Absatz 1 Satz 2 ErbStG – in vollem Umfang anzurechnen.
Soweit § 13a Absatz 4 ErbStG die Gewährung des Betriebsvermögensfreibetrages und des Wertabschlags auf das inländische Betriebsvermögen beschränkt, liegt hierin zwar eine Beeinträchtigung der Kapitalverkehrsfreiheit und der Niederlassungsfreiheit. Diese Beeinträchtigung ist aber gerechtfertigt, da die erbschaftsteuerliche Entlastung des inländischen Betriebsvermögens systemimmanent ist und sich das ausländische Betriebsvermögen nicht in einer vergleichbaren Lage wie das inländische Betriebsvermögen befindet.
Normenkette
ErbStG § 21 Abs. 1 S. 2, § 13a Abs. 3; EStG § 13; EG-Vertrag Art. 293 Spiegelstrich 2, Art. 58, 56 Abs. 1, Art. 43
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist im 2. Rechtsgang, ob § 13a ErbStG sowohl gegen innerstaatliches Verfassungsrecht als auch Gemeinschaftsrecht verstößt.
Der in Frankreich lebende Kläger ist laut einem Erbschein des Amtsgerichts L vom 26. November 1998 (Bl. 4 ErbSt-A) der Alleinerbe seiner am 17. Mai 1998 verstorbenen und zuletzt in L wohnenden Mutter K.J. Zum Nachlass gehörten u. a. in Frankreich belegenes Auslandsvermögen. Nach dem Testament der Erblasserin (Bl. 6-11 ErbSt-A) handelt es sich hierbei um den "Anteil am Besitz Hof T" sowie um "Anteilsscheine an SA C" (Bl. 8 ErbSt-A). Dieses Auslandsvermögen gehörte -- ausweislich der Erbschaftsteuererklärung der Erblasserin (Bl. 16/17 ErbSt-A Bd. I E.J.) -- dem am 14. Mai 1994 vorverstorbenen Ehemann der Erblasserin, der laut Erbschein des Amtsgerichtes L vom 9. November 1994 (Bl. 4 ErbSt-A Bd. I E. J.) von der Erblasserin und dem Kläger als dessen Sohn je zur Hälfte beerbt wurde. Der Erwerb dieses mit 5.444.666 FF bewerteten Auslandsvermögen der Erblasserin unterlag in Frankreich einer Erbschaftssteuer von 1.192.158 FF (Bl. 53, 60 und 61 ErbSt-A).
Durch Bescheid vom 3. Januar 2000 setzte der Beklagte gegen den Kläger eine Erbschaftssteuer von 17.405 DM fest. Dem lag ein Reinnachlass von 1.737.167 DM zu Grunde, in dem das in Frankreich belegene Auslandsvermögen mit 1.616.152 DM (= 5.444.660 x 0,2972) enthalten war. Nach Abzug des persönlichen Freibetrages von 400.000 DM (§ 16 Absatz 1 Nr. 2 ErbStG) ergab dies einen steuerpflichtigen Erwerb von abgerundet 1.337.100 DM. Auf die sich hieraus ergebende Erbschaftssteuer von 254.049 DM (= 19% von 1.337.100 DM; § 19 Absatz 1 i.V.m. § 15 Absatz 1 ErbStG) wurde die in Frankreich gezahlte Erbschaftssteuer von 354.306,38 DM (= 1.192.148 x 29,72) gemäß § 21 ErbStG mit einem Betrag von 236.644 DM angerechnet (Bl. 83 ErbSt-A). Dieser Erbschaftssteuerbescheid wurde mit Änderungsbescheid vom 28. März 2002 (Bl. 85-88 PA) nachträglich gemäß § 165 Absatz 1 Satz 2 AO wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit des Erbschaftssteuergesetzes für vorläufig erklärt.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren begehrte der Kläger im 1. Rechtsgang unter dem Aktenzeichen 4 K 2653/00 die Aufhebung der Erbschaftssteuerfestsetzung mit dem Argument, keine Erbschaftssteuer zu schulden. Im einzelnen trug er hierzu vor:
Das innerstaatliche Verfassungsrecht gebiete, die französische Erbschaftssteuer in voller Höhe anzurechnen, da ansonsten das Zusammenwirken zweier Steuerrechtsordnungen zu einer übermäßigen Belastung führe. Bei isolierter Betrachtung ausschließlich des erworbenen Inlandsvermögens wäre dieses erbschaftsteuerfrei. Erst durch Einbeziehung des Auslandsvermögens ergebe sich eine Erbschaftssteuer auf das Inlandsvermögen. Die erbschaftsteuerliche Gesamtbelastung des erworbenen in- und ausländischen Vermögens von 1.737.167 DM mit 21,4 v.H. übersteige zudem die Belastung von 14,62 v.H., die sich ergäbe, wenn die beiden Grundstücke im Inland belegen wären, um mehr als 50 v.H. Das sei unter Beachtung des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 22. Juni 1995 (2 BvR 552/91, BStBl II 1995 S. 671) nicht zulässig.
Eine Verpflichtung zur Rücknahme des Besteuerungsrechts ergebe sich zudem aus "Art. 220" EG-Vertrag, der die Mitgliedsländer verpflichte, jegliche Doppelbesteuerung zu vermeiden.
Im übrigen handele es sich bei dem in Frankreich belegenen Grundstücken um land- und forstwirtschaftliches Vermögen, für das -- sofern es im Inland belegen wäre -- der Betriebsvermögensfreibetrag und Bewertungsabschlag nach § 13a ErbStG zu gewähren sei. Diese Schlechterstellung von in einem anderen Mitgliedsland belegenen Grundvermögen verstoße...