Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Umsatzsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen
Leitsatz (amtlich)
Ein – ggf. teilweiser – Erlass von rechtskräftig festgesetzter Umsatzsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen kann in Betracht kommen, wenn der Unternehmer die Umsätze zunächst irrtümlich als steuerfrei behandelt hatte und eine nachträgliche Belastung des Empfängers durch korrigierte Rechnungen wegen Insolvenz des Empfängers nicht mehr möglich ist.
Normenkette
AO § 227 Abs. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Erlass von Umsatzsteuern in Höhe von 1.495.532,50 DM.
Zur Firmengruppe der Klägerin gehört auch die in 1990 erworbene Firma B B GmbH, B. (nachfolgend BBS), zu der seit dem 01. Januar 1991 eine umsatzsteuerliche Organschaft besteht; Organträger ist die Klägerin und Organgesellschaft die BBS.
In den Jahren 1991 und 1992 hat BBS Lieferungen an die Firma G. Industrievermittlungs- und Handelsgesellschaft mbH in B. (nachfolgend G) in Höhe von 5.333.518,00 DM (1991) und 5.348.855,00 DM (1992) erbracht, für die sie die Steuerfreiheit nach Artikel 16 Abs. 4 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des planmäßigen Abzuges der sowjetischen Truppen aus dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (nachfolgend AAV – vgl. BGBl I 1991, S. 258 – Bl. 56 Erlassakte III) in Anspruch genommen hat. Dabei hat G auf Grund von Lieferverträgen der amtlichen Beschaffungsstelle der sowjetischen Streitkräfte die von BBS gekauften Waren an die Westgruppe der sowjetischen Streitkräfte (WGS) weiterveräußert, wobei BBS die Spirituosen aus ihrem Steuerlager im zollamtlichen Ausfuhrverfahren direkt an die WGS geliefert hat. BBS hat diese "WGS-Lieferungen" ohne Branntweinsteuer und Umsatzsteuer der G in Rechnung gestellt.
Anlässlich einer Außenprüfung bei der BBS hat die Finanzverwaltung den Standpunkt vertreten, dass die Lieferungen an G nicht umsatzsteuerbefreit seien. Eine Steuerbefreiung gem. Art. 16 Abs. 4 AAV komme nicht in Betracht, weil keine Aufträge einer amtlichen Beschaffungsstelle der WGS an BBS vorlägen.
In den geänderten Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1991 und 1992 vom 13. August 1997 behandelte der Beklagte deshalb die Lieferungen in Höhe von 5.333.518,00 DM (1991) bzw. 5.348.855,00 DM (1992) als steuerpflichtige Lieferungen.
Hiergegen hat die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.
Mit Urteil vom 25. Juli 2001 (Az.: 1 K 2345/99), welches inzwischen rechtskräftig ist, hat der Senat die Klage wegen Umsatzsteuer 1991 und 1992 als unbegründet abgewiesen.
Zur Begründung hat er ausgeführt, dass im Streitfall zwei Lieferungen vorgelegen hätten, nämlich die von BBS an G und die von G an WGS. Da es sich bei G um einen inländischen Unternehmer gehandelt habe, sei diese Lieferung grundsätzlich umsatzsteuerpflichtig. Es liege auch keine steuerfreie Ausfuhrlieferung im Sinne von § 4 Nr. 1 i.V.m. § 6 UStG im Rahmen eines Ausfuhrreihengeschäftes vor, da das Ende der Beförderung im Inland gelegen habe. Es liege aber auch nicht der selbständige Befreiungstatbestand nach Art. 16 Abs. 4 AAV vor, da nach dieser Vorschrift nur der an die WGS liefernde Unternehmer bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen befreit sei, nicht dagegen die Unternehmer auf den vorgehenden Stufen. Dies ergebe sich auch daraus, dass durch die Steuerbefreiung nach Art. 16 Abs. 4 AAV ein Ausschluss vom Vorsteuerabzug nicht eintrete. G hätte dem gemäß trotz ihrer umsatzsteuerfreien Lieferungen an WGS das Recht zum Vorsteuerabzug behalten. Dies sei nur möglich, wenn die Vorlieferung nicht umsatzsteuerfrei sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das zwischen den Beteiligten ergangene Urteil vom 25. Juli 2001 verwiesen.
Bereits während des Einspruchsverfahrens wegen Umsatzsteuer 1991 und 1992 hat die Klägerin am 21. Februar 1997 beim Beklagten einen Antrag auf Erlass der aus der Lieferung an G angefallenen Umsatzsteuern in Höhe von 1.495.532,50 DM beantragt (Bl. 1 Erlass-Akte I).
Diesen Antrag hat der Beklagte am 01. August 1997 zurückgewiesen, da die Erhebung der durch die Lieferung von BBS an G angefallenen Umsatzsteuerbeträge nicht unbillig sei. Die Gründe dafür, dass die von der Klägerin geschuldete Mehrwertsteuer nicht mehr auf den Leistungsempfänger G abgewälzt werden könne, lägen nicht in unsystematischen Gesetzesnormen, sondern darin, dass G zahlungsunfähig geworden sei. Da bereits im Rahmen der Vor-Betriebsprüfung die Frage der Umsatzsteuerfreiheit diskutiert worden sei, wäre damals noch eine zeitnahe Rechnungskorrektur gegenüber der noch nicht zahlungsunfähigen G möglich gewesen (vgl. Bl. 102 ff. Erlassakte I).
Gegen die Ablehnung des beantragten Erlasses hat die Klägerin am 19. August 1997 ...