Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine rückwirkende Änderung eines bestandskräftigen Bescheides über die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 2005
Leitsatz (amtlich)
Ein bestandskräftiger Bescheid über die Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung wegen Überschreitens des Grenzbetrages kann nicht aufgrund des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Januar 2005 Aktenzeichen 2 BvR 167/02 aufgehoben werden. Die fehlerhafte Berechnung der Einkünfte und Bezüge führt auch nicht zur Nichtigkeit des Bescheides.
Normenkette
AO § 173 Abs. 1 Nr. 2, § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2; EStG § 32 Abs. 4 S. 2, § 70 Abs. 2-4; BVerfGG § 79 Abs. 2 S. 1
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob der bestandskräftige Aufhebungsbescheid noch geändert werden kann.
Der Kläger hat vier Kinder, u. a. den Sohn C, geboren am 07. Juli 1981. Nach dem Besuch der Höheren Handelsschule hat C vom 01. Juli 2002 bis 30. Juni 2005 die Ausbildung zu einem Kaufmann im Einzelhandel - Möbel - absolviert. Mit Schreiben vom 13. September 2004 wurde er vorzeitig zur Abschlussprüfung im Winter 2004 zugelassen. Seit dem Wintersemester 2005/2006 studiert C an der Fachhochschule Kaiserslautern. Mit Bescheid vom 31. März 2004 hat die Beklagte die Festsetzung von Kindergeld ab Januar 2003 aufgehoben, da nach den ihr vorliegenden Unterlagen das Einkommen des Kindes im Kalenderjahr 2003 den maßgeblichen Grenzbetrag übersteigt. Hiergegen hat der Kläger keinen Einspruch eingelegt.
Mit Schreiben vom 26. September 2005 hat der Kläger rückwirkend Kindergeld für C für die Jahre 2003 und 2004 beantragt. In dem Bescheid vom 31. März 2004 sei nicht berücksichtigt worden, dass die Sozialversicherungsbeiträge nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 11. Januar 2005 nicht in den Grenzbetrag mit einbezogen werden dürften. Mit Bescheid vom 03. November 2005 wurde dem Kläger Kindergeld für Januar 2004 bis Dezember 2004 für C gewährt. Für den Zeitraum 2003 wurde die Änderung des Bescheides abgelehnt, da der Bescheid vom 31. März 2004 bestandskräftig geworden sei. Der hiergegen eingelegte Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2005 als unbegründet zurückgewiesen.
Mit der Klage trägt der Kläger vor, dass die Beklagte es nicht für nötig erachtet habe, zur Verhinderung weiterer systematischer Benachteiligungen von Familien auf anhängige Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht hinzuweisen. Nunmehr setze sie nicht einmal mehr Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes bezüglich ihrer verfassungsgerichtlich festgestellten grundgesetzwidrigen und verfassungswidrigen Handhabung für den Handhabungszeitraum um, sondern wolle den durch Verfassungsbruch erreichten Zustand für die Vergangenheit perpetuieren. Sie verkenne dabei, dass sie selbst den Verfassungsbruch begangen habe und zu dessen Folgenbeseitigung verpflichtet sei. Gerade die Vorschriften der §§ 172 ff. Abgabenordnung -AO- und des § 70 Abs. 2 - 4 Einkommensteuergesetz -EStG- würden in verfassungsgemäßer Auslegung gebieten, dass ein von den staatlichen Behörden geschaffener, von diesen selbst gesetzter gesetzeswidriger Zustand gerade auch in dem Zeitraum des Verfassungsverstoßes korrigiert werde. Es sei unter dem Schutzgedanken von Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes sowie der Existenzminimumsicherung schlichtweg nicht hinnehmbar, dass sich die Beklagte als staatliche Behörde eines Verfassungsbruches bediene, um sich ihrer Kindergeldzahlungsverpflichtung zu entziehen. Soweit die Beklagte sich darauf berufe, dass eine Änderung der Rechtsprechung nicht zur Änderung von bestandskräftigen Entscheidungen zugunsten des Bürgers führen könne, verkenne diese den Unterschied zwischen einem einfachen Rechtsprechungswandel und der Feststellung verfassungswidrigen Handelns durch das Bundesverfassungsgericht. Es gehe hier nicht um geänderte Rechtsauffassung, sondern um Beseitigung der Folgen des durch das Bundesverfassungsgericht festgestellten Verfassungsbruches. Das Bundesverfassungsgericht habe am 11. Januar 2005 entschieden, dass Sozialversicherungsbeiträge für die Grenzbetragsberechnung nicht als Einkommen des Kindes mit einbezogen werden dürften. Diese Entscheidung sei auch für die Vergangenheit bindend umzusetzen.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 14. Dezember 2005 und unter teilweiser Änderung des ablehnenden Bescheides vom 03. November 2005 die Beklagte zu verpflichten, Kindergeld für C für das Jahr 2003 festzusetzen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie aus, dass ein bestandskräftig gewordener Ablehnungsbescheid für die Zeit bis zum Ende des Monats, in dem er bekannt gegeben worden sei, Bindung entfalte. Kindergeldansprüche für Januar 2003 bis Dezember 2003 seien formell-rechtlich abgeschlossen. Die Voraussetzungen, unter denen die Bestandskraft eines ablehn...