Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Zurechnung der Stromentnahme des in den durch Agenturpartner betriebenen Verkaufsstellen eines Backwarenunternehmens entnommenen Stroms
Leitsatz (amtlich)
Die durch selbständige Handelsvertreter betriebenen Verkaufsstellen eines Backwarenherstellers sind rechtlich selbständige Einheiten i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG. Die Stromentnahme in den Verkaufsstellen ist der jeweiligen Verkaufsstelle zuzurechnen und nicht dem Herstellungsbetrieb.
Normenkette
AO § 130 Abs. 1, § 131 Abs. 2 Nr. 1; StromStG § 2 Nrn. 3-4, § 9 Abs. 3-4
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist die Zurechnung der Stromentnahmen in den durch sog. Agenturpartner der Klägerin betriebenen Verkaufsstellen.
Die Klägerin, eine GmbH, betreibt eine Großbäckerei, die u.a. ihre Produkte bundesweit über Filialen vertreibt. Die Filialen werden mit Teigrohlingen beliefert, die dort für den Verkauf an die Endkunden fertig gebacken werden. Der Vertrieb in den Filialen erfolgt auf der Grundlage sog. Agenturverträge durch Handelsvertreter. Hinsichtlich des Inhalts der – im Wesentlichen identischen – Verträge wird auf die beispielhaft in der Verwaltungsakte befindlichen Verträge (VwA, Bl. 124-131, 202-209, 219-222) Bezug genommen.
Mit Bescheid vom 29.07.1999 (VwA, Bl. 24 ff) erteilte das – damals zuständige – Hauptzollamt (HZA) der Klägerin auf ihren Antrag vom 11.05.1999 rückwirkend zum 01.04.1999 die Erlaubnis als Unternehmen des produzierenden Gewerbes steuerbegünstigt Strom gemäß § 9 Abs. 3 StromStG zu beziehen. Die Erlaubnis erstreckte sich auf alle im Antrag der Klägerin genannten 131 Betriebsstätten/Filialen (vgl. 1. Abs., S. 2 der Erlaubnis; Liste der Filialen s. VwA, Bl. 5-7) und stand unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs.
Aufgrund von Prüfungsanordnungen vom 14.06.2004 und vom 16.10.2006 fand bei der Klägerin in der Zeit vom 18.10.2004 bis 04.12.2006 eine Außenprüfung statt, bei der u.a. die rechtlichen Beziehungen der Klägerin zu den jeweiligen Leitern der Verkaufsstellen überprüft worden sind.
Im Rahmen einer 2008 für das Jahr 2007 durchgeführten Außenprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass zwar sowohl die Produktionsstandorte der Klägerin als auch die Filialen als Produzierende Gewerbe i.S. des § 2 Nr. 3 StromStG einzuordnen seien. Die Filialen, die von selbständigen Handelsvertretern betrieben würden, seien jedoch rechtlich selbständige Einheiten i.S. des § 2 Abs. 4 StromStG, so dass die Stromentnahmen der Filialen diesen jeweils selbst und nicht der Klägerin zuzuordnen seien (Prüfbericht vom 17.08.2009, Ziffer 3.2.1.2., VwA, Bl. 186, 194).
Mit streitgegenständlichem Bescheid 22.09.2010 (VwA, Bl. 92 ff) widerrief das zwischenzeitlich zuständig gewordenen HZA (Beklagter) die der Klägerin erteilte Erlaubnis mit Wirkung vom 01.10.2010 soweit sie sich auf die steuerbegünstigte Entnahme von Strom durch die Filialen bezog.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 13.10.2010 erhobenen Sprungklage, der der Beklagte fristgerecht zugestimmt hat (Gerichtsakte, Bl. 111, 109).
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, der streitige Bescheid sei rechtswidrig, da die Einordnung der Handelsvertreter als kleinste rechtliche Einheit die Zurechnung der Stromentnahme zu den Handelsvertretern allein nicht begründen könne.
Der Beklagte verkenne, dass § 2 Nr. 4 StromStG keine Zurechnungsnorm für Stromentnahmen beinhalte. In § 2 StromStG würden lediglich einige für die Auslegung des StromStG zentrale Begriffsbestimmungen, die definiert würden, den weiteren Regelungen vorangestellt. Weder nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift noch nach dem Willen des Gesetzgebers diene § 2 Nr. 4 StromStG dazu, eine Zurechnung von Stromentnahmen vorzunehmen. § 2 Nr. 4 StromStG sei lediglich eine Abgrenzungsnorm.
Über die Definition des § 2 Nr. 4 i.V.m. § 2 Nr. 3 StromStG könne zwar eine rechtliche Einheit als taugliches Zuordnungsobjekt einer Stromentnahme definiert werden. Zur Frage, wem die Stromentnahme aber letztlich zuzurechnen sei, schweige die Vorschrift jedoch gänzlich. Die Feststellung, die Filialbetreiber wären selbständig tätig und daher Unternehmen i.S. des § 2 Nr. 4 StromStG, sei daher nicht geeignet, die Zurechnung der Stromentnahmen zu begründen. Diese Feststellung ermögliche lediglich eine Zurechnung, begründe sie aber nicht.
Entscheidend für die Zurechnung sei, wessen betrieblichen Zwecken die Entnahme von Strom diene. In diesem Zusammenhang komme es insbesondere auf die rechtlichen Beziehungen der am Vertrieb der Backwaren beteiligten Personen an.
Anders als in den vom BFH entschiedenen „Tankstellenfällen” (BFH-Urteil vom 30.06.2005, III R 47/03) beschränke sich die Tätigkeit der Verkaufsstellen nicht auf den Vertrieb eines fertigen Produkts. Vielmehr entstehe das seitens der Klägerin vertriebene Produkt erst in den Filialen durch das Fertigbacken der Teiglinge. Dies sei wesentlicher Bestandteil des ...