Entscheidungsstichwort (Thema)
Erlass von Nachzahlungszinsen zur Umsatzsteuer aus Billigkeitsgründen
Leitsatz (redaktionell)
Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre, bzw. unter den gleichen Voraussetzungen bereits entrichtete Beträge erstatten oder anrechnen. Unbilligkeit aus sachlichen Gründen liegt vor, wenn die Geltendmachung eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis im Einzelfall zwar dem Wortlaut einer Vorschrift entspricht, aber nach dem Zweck des zugrunde liegenden Gesetzes nicht - mehr - zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft.
Ein Anspruch auf einen Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen besteht nicht, wenn diese darauf beruhen, dass der Unternehmer seine Ausgangsumsätze irrtümlich als steuerpflichtig angesehen hat und ihm deshalb der Vorsteuerabzug zu versagen ist und die daraus resultierenden Nachzahlungszinsen nicht durch Guthabenzinsen ausgeglichen werden, weil die Berichtigung der Umsatzsteuerschuld der Ausgangsumsätze nach § 14 Abs. 2 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG erst nach Rechnungsberichtigung in späteren Veranlagungszeiträumen erfolgt.
Normenkette
AO § 227, AO § 233a Abs. 3
Nachgehend
Tatbestand
Strittig ist der Erlass von Zinsen zur Umsatzsteuer.
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft und betreibt eine Bauunternehmung.
Im Zusammenhang mit der Errichtung eines Hotels in R kam es zur Rückforderung von durch den Beklagten erstatteter Vorsteuer und nach Rechnungsberichtigung zur Erstattung von Umsatzsteuer durch den Beklagten an die Klägerin.
Das Hotel hatte die Klägerin als Generalunternehmer errichtet. Das Hotel besteht aus zwei separaten Bauteilen Nord und Süd. Mit dem Bau war 1992 begonnen worden, 1994 wurde das Gebäude bezugsfertig. Der Bauteil Süd war zum Verkauf bestimmt, der Bauteil Nord hingegen nicht. Die Klägerin hatte hierzu das Hotelgrundstück im Oktober 1993 in Miteigentumsanteile verbunden mit dem Sondereigentum an den jeweiligen Appartements aufgeteilt und eine Gemeinschaftsordnung beschlossen. Im Dezember 1993, noch vor Bezugsfertigkeit des Hotels, schloss die Klägerin mit der W Hotelbetriebs-GmbH einen Mietvertrag, mit dem das gesamte Gebäude umsatzsteuerpflichtig zum Betrieb eines Hotels angemietet wurde. Die Appartements des Bauteils Nord veräußerte die Klägerin umsatzsteuerpflichtig an verschiedene Erwerber, die über eine Erwerbergemeinschaft in den von der Klägerin geschlossenen Mietvertrag eintraten.
Die Klägerin hatte die Appartements umsatzsteuerpflichtig veräußert, weil sie davon ausging, dass die Erwerber wegen der umsatzsteuerpflichtigen Vermietung durch die Erwerbergemeinschaft an die W Hotelbetriebs-GmbH Unternehmer seien. Entsprechend hatte die Klägerin die Vorsteuern aus der Errichtung des Gebäudes in ihrem Umsatzsteuererklärungen 1993 und 1994 abgezogen. Durch eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung am 2. November 1994 hatte der Beklagte festgestellt, dass der erklärte hohe Vorsteuer-Überschuss aus der Erstellung des Hotelprojekts resultierte (vgl. Nachheftung zur Umsatzsteuerakte) und die Vorsteuern an die Klägerin ausgezahlt. Die Erwerber hatten für die Vermietung der Appartements über die Erwerbergemeinschaft an die W Hotelbetriebs-GmbH die Umsatzsteuern und die ihnen anlässlich des Erwerbs des Teileigentums in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als abziehbare Vorsteuerbeträge erklärt. Wegen anderer Auffassung der Finanzverwaltung kam es zu einem durch einen Erwerber in Hessen musterhaft geführten Rechtstreit bis zum BFH. Der BFH entschied mit Urteil vom 16. Mai 2002 (V R 4/01, BFH/NV 2002, 1347), dass den Erwerbern mangels Unternehmereigenschaft der begehrte Vorsteuerabzug nicht zusteht, sondern nur die Erwerbergemeinschaft unternehmerisch tätig war.
Nachdem der Beklagte zunächst der Auffassung war, die Vorsteuern aus der Errichtung des Hotels seien insgesamt nicht abzugsfähig und die gewährten Vorsteuerbeträge zurückforderte, ließ er nach Einspruch der Klägerin die Vorsteuern aus der Errichtung des nicht veräußerten Bauteils Nord zum Abzug zu. Für die zurückgeforderten Vorsteuern aus der Errichtung des Bauteils Süd setzte der Beklagte in dem Bescheid vom 7. September 2005 Zinsen zur Umsatzsteuer 1994 in Höhe von 659.000 € gem. § 233a AO fest. Gegen den Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 19. September 2005 Einspruch ein, der mit Einspruchsentscheidung vom 28. März 2006 zurückgewiesen wurde. Der Bescheid ist bestandskräftig. Auf die Vorsteuerrückforderung der geltend gemachten Vorsteuern aus der Errichtung des Bauteils Süd entfallen Zinsen in Höhe von 533.788,50 €.
Mit Schreiben vom 19. September 2005 beantragte die Klägerin den Erlass der nach § 233a AO festgesetzten Zinsen aus Billigkeitsgründen. Der Antrag wurde vom Beklagten nach Einschaltung der Oberfinanzdirektion Koblenz und des Ministeriums der Finanzen des Landes...