Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsschutzbedürfnis bei einer Klage des Insolvenzverwalters gegen Umsatzsteuerjahresbescheid wegen Zuordnung einer Berichtigung zum Zeitraum vor Insolvenzeröffnung
Leitsatz (amtlich)
Für eine Klage des Insolvenzverwalters gegen einen Umsatzsteuer-Jahresbescheid, die nicht auf eine Änderung der Festsetzung der Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum gerichtet ist, mit der der Insolvenzverwalter aber begehrt, eine Berichtigung gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG wegen der Wahl der Nichterfüllung von Verträgen, für die der Insolvenzschuldner Anzahlungen erhalten hatte, nicht dem Zeitraum vor, sondern nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zuzuordnen, mit der Folge, dass das Finanzamt nicht mit Insolvenzforderungen aufrechnen könnte, sondern die aus der Berichtigung resultierende Erstattung an die Masse leisten müsste, besteht ein Rechtschutzbedürfnis.
Normenkette
UStG § 17 Abs. 2 Nr. 3; InsO § 103 Abs. 2, § 95 Abs. 1; FGO § 40 Abs. 2
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist, ob eine Berichtigung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG aufgrund der Wahl des Insolvenzverwalters gemäß § 103 Abs. 2 InsO, einen Vertrag nicht zu erfüllen, auf den Zeitpunkt vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens wirkt, mit der Folge, dass eine Aufrechnung des Finanzamts mit Insolvenzforderungen vorgenommen werden kann oder die Umsatzsteuer an die Insolvenzmasse zu erstatten ist.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der ... GmbH – EWK –. Mit Beschluss vom 15.11.2001 des Amtsgerichts K wurde der Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellt. Am 03.12.2001 wurde das Insolvenzverfahren eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die EWK wurden bisher unter der Steuernummer ../673/0066/7 geführt. Für die ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu erklärenden Umsätze wurde die Steuernummer ../673/9001/6 vergeben.
In der Zeit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte die EWK folgende Anzahlungen erhalten, die sie der Umsatzsteuer unterworfen hatte:
April 2000 E |
3.524.438,96 DM |
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./. verrechnete Teilleistungen 12/00 - 11/01 |
- 2.942.573,93 DM |
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Verbleibende Anzahlung |
581.865,03 DM |
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Sept. 2000 E |
2.948.989,56 DM |
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Juli 2001 B |
374.345,86 DM |
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Okt. 2001 B |
374.645,86 DM |
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Sept. 2001 S |
928.000,00 DM |
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Anzahlungsbeträge brutto insgesamt |
5.207.546,31 DM |
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Enthaltene Mehrwertsteuer |
718.282,24 DM |
(367.251,87 €) |
Der Insolvenzverwalter wählte gemäß § 103 Abs. 2 InsO die Nichterfüllung der diesen Anzahlungen zugrunde liegenden Verträge. Diese wurden rückabgewikkelt.
Am 29.01.2002 wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Voranmeldungszeiträume Januar bis Dezember 2001 durchgeführt, deren Ergebnis im Bericht vom 29.04.2002 dargestellt ist. Die Rückabwicklung und Berichtigung gemäß § 17 UStG wurde dabei dem Zeitraum vor Insolvenzeröffnung zugeordnet.
Im Januar 2003 reichte der Kläger die Umsatzsteuererklärung für 2001 ein; diese beinhaltete nicht die Berichtigung der Umsatzsteuer aufgrund der Nichterfüllung der Verträge. Der Beklagte stimmte der Umsatzsteuererklärung zu.
Im Rahmen einer weiteren Umsatzsteuer-Sonderprüfung für die Jahre 2002 und 2003 vertrat der Insolvenzverwalter nunmehr die Auffassung, dass die Umsatzsteuer auf die erhaltenen Anzahlungen im Zeitpunkt der Erklärung nach § 103 Abs. 2 InsO, dass die Nichterfüllung der Verträge gewählt werde, zu berichtigen sei. Er reichte am 01.03.2006 unter der Steuernummer ../673/9001/6 eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2001 ein, in der er um 4.489.264 DM reduzierte Umsätze zu 16% erklärte; um den selben Betrag erhöhte Umsätze erklärte er unter der Steuernummer ../673/0066/7. Der Beklagte lehnte die Änderung mit Bescheid vom 20.04.2006 ab. Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 19.06.2006 als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger vor, der Beklagte habe seine Einspruchsentscheidung unzutreffender Weise damit begründet, dass der Rechtsgrund der Umsatzsteuerforderung bereits zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gelegt gewesen sei und deshalb der Erstattungsanspruch die angemeldete Insolvenzforderung reduziere.
Der Beklagte habe zutreffend festgestellt, dass die spätere Erklärung des Klägers, die Verträge nicht erfüllen zu wollen, nicht auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Steuerentstehung zurückwirke. Daraus folge, dass hinsichtlich der Berichtigung der Umsatzsteuer auf den Zeitpunkt der Erklärung des Insolvenzverwalters abzustellen sei; dieser liege zwangsläufig nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Das Wahlrecht nach § 103 InsO stehe nur dem Insolvenzverwalter zu, nicht aber dem vorläufigen Insolvenzverwalter. Die Erklärung habe deshalb nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben werden können.
Die Erklärung habe nicht nur deklaratorische Wirkung, sondern sei konstitutiv. Der Insolvenzverwalter müsse seine freie unternehmerische Entscheidung auch voll verantworten. Infolge der Ablehnung der Vertragserfüllung müs...