Revision eingelegt (BFH XI R 23/20)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer: Zweifel am Unternehmenssitz im Ausland. - Revision eingelegt (Aktenzeichen des BFH: XI R 23/20)
Leitsatz (amtlich)
Kann nicht festgestellt werden, dass der Leistungsempfänger sein Unternehmen im Ausland betreibt, ist auf das Vorliegen eines Empfängerorts im Inland zu schließen mit der Folge, dass eine Verlagerung des Leistungsorts nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG in das Ausland ausscheidet.
Normenkette
UStG § 3a Abs. 1-2; MwStSystR Art. 44
Tatbestand
Streitig ist, ob die Umsätze der Klägerin im Zusammenhang mit der Webseite "www.xxx.com" im Inland der Umsatzsteuer unterliegen.
Der Tatbestand ist zur Veröffentlichung nicht geeignet.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage hat keinen Erfolg.
Die Umsatzsteuerbescheide für 2016 und 2017 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 3. Januar 2020 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Die von der Klägerin gegenüber der I erbrachten Leistungen sind in Deutschland umsatzsteuerbar und umsatzsteuerpflichtig.
1.
Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Dabei trägt das Finanzamt die objektive Darlegungs- und Feststellungslast für die Steuerbarkeit des Umsatzes. Im Ausland erbrachte Leistungen sind nicht im Inland steuerbar.
Ob eine sonstige Leistung im Inland erbracht wurde, ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 3a UStG. Nach dieser Norm werden sonstige Leistungen grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG ist der Auffangtatbestand für die Fälle, die nicht gesondert geregelt sind.
Abweichend von § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG bestimmt § 3a Abs. 2 UStG, dass eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, an dem Ort ausgeführt wird, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt. Wird die sonstige Leistung an die Betriebsstätte eines Unternehmers ausgeführt, ist stattdessen der Ort der Betriebsstätte maßgebend.
Diese Regelungen entsprechen den Vorgaben durch Art. 44 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL). Nach Art. 44 MwStSystRL gilt als Ort einer Dienstleistung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, der Ort, an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Werden diese Dienstleistungen jedoch an eine feste Niederlassung des Steuerpflichtigen, die an einem anderen Ort als dem des Sitzes seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelegen ist, erbracht, so gilt als Ort dieser Dienstleistungen der Sitz der festen Niederlassung. In Ermangelung eines solchen Sitzes oder einer solchen festen Niederlassung gilt als Ort der Dienstleistung der Wohnsitz oder der gewöhnliche Aufenthaltsort des steuerpflichtigen Dienstleistungsempfängers.
Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH (Urteile vom 02.05.1996 C-231/94, Rs. Faaborg-Gelting Linien, BStBl II 1998, 282; vom 04.07.1985 C-168/84, Rs. Berkholz, Slg. 1985, I-2251) ist nach Art. 44 MwStSystRL der Ort, an dem der Dienstleistende den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, hierfür ein vorrangiger Anknüpfungspunkt, so dass eine andere Niederlassung, von der aus die Dienstleistung erbracht wird, nur dann berücksichtigt wird, wenn die Anknüpfung an den Sitz nicht zu einer steuerlich sinnvollen Lösung führt oder wenn sie einen Konflikt mit einem anderen Mitgliedstaat zur Folge hat.
Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist nach der EuGH-Rechtsprechung (vgl. EuGH, Urteil vom 28.06.2007 C-73/06, Rs. Planzer, Slg. 2007, I-5655, BFH/NV 2007, 418) der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung dieser Gesellschaft getroffen und die Handlungen zu deren zentraler Verwaltung vorgenommen werden. Bei der Bestimmung des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit einer Gesellschaft ist eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen, und zwar in erster Linie der statutarische Sitz, der Ort der zentralen Verwaltung, der Ort, an dem die Führungskräfte der Gesellschaft zusammentreffen, und der - gewöhnlich mit diesem übereinstimmende - Ort, an dem die allgemeine Unternehmenspolitik dieser Gesellschaft bestimmt wird. Andere Elemente, wie der Wohnsitz der Hauptführungskräfte, der Ort, an dem die Gesellschafterversammlung zusammentritt, der Ort, an dem die Verwaltungsunterlagen erstellt und die Bücher geführt werden, und der Ort, an dem die Finanz- und insbesondere die Bankgeschäfte hauptsächlich wahrgenommen werden, können ebenfalls in Betracht gezogen werden. Zwar kann ein und derselbe Ort gleichzeitig Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit und feste Niederlassung des betreffenden Unternehmens sein; der Begriff des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit hat jedoch eine vom Begriff der Niederlassung unabhängige Bedeutung (EuGH, Urteil vom ...