Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Berücksichtigung von Vermögen eines behinderten Kindes
Leitsatz (redaktionell)
Das Vermögen eines behinderten Kindes schließt die Berücksichtigung gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG nicht aus.
Normenkette
EStG § 32 Abs. 4 Nr. 3, § 63 Abs. 1 S. 2
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten, ob und in welcher Höhe das Vermögen des behinderten Kindes der Klägerin im Rahmen der Zurechnung gemäß § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG zu berücksichtigen ist.
Die Klägerin ist Mutter des am 21. Juli 1951 geborenen ledigen Sohnes ... (im folgenden: U). Dieser erlitt im Jahre 1971 einen Unfall, infolgedessen er behindert ist. Laut Schwerbehindertenausweis vom 10. September 1985, der bis einschließlich August 2000 gültig ist, ist U zu 100 v. H. in seiner Erwerbsfähigkeit gehindert. Im Schwerbehindertenausweis ist das Merkzeichen „G“ sowie die Notwendigkeit ständiger Begleitung „B“ nachgewiesen worden. Eine nähere Beschreibung der Behinderung folgt aus einem ärztlichen Attest vom 22. Oktober 1991. U geht keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt im Haushalt seiner Mutter. Die Klägerin ist zur Betreuerin ihres Sohnes bestellt worden.
Aufgrund einer Mitteilung der Klägerin vom 24. Oktober 1997 brachte der Beklagte in Erfahrung, dass die Klägerin mit Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes ein dem Sohn gehörendes Grundstück veräußert und den Erlös von 90.000,-- DM bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank bis zum 11. Februar 2003 als Festgeld zu einem Zinssatz von 7,125 % angelegt hatte. Die jährlich ausgezahlten Zinsen beliefen sich auf 6.390,-- DM (vgl. Auszahlungsplan vom 28. Februar 1993). Daraufhin hob der Beklagte am 19. März 1998 die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70 Abs. 2 EStG rückwirkend ab dem 1. Januar 1997 auf und forderte den überzahlten Kindergeldbetrag für die Monate Januar 1997 bis März 1998 in Höhe von (15 Monate x 220,-- DM =) 3.300,-- DM mit der Begründung zurück, der Selbstunterhalt des Sohnes U sei durch dessen Guthaben gesichert. Den Einspruch der Klägerin wies er mit Entscheidung vom 27. August 1998 zurück. Im Klageverfahren änderte der Beklagte den Bescheid dahin, dass die Aufhebung der Festsetzung erst mit Wirkung ab April 1998 erfolgen sollte, da der Aufhebungsbescheid vom 19. März 1998 erst in diesem Monat bekanntgegeben worden sei (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 11. Mai 1999). Die Klägerin hat den Änderungsbescheid zum Gegenstand des anhängigen Verfahrens gemacht, § 68 FGO.
Mit ihrer Klage trägt die Klägerin vor, dass die Berücksichtigung von Kindsvermögen nach dem Wortlaut des § 32 Abs. 4 Nr. 3 bzw. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG nicht zulässig sei. Eine dem § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG entsprechende Regelung fehle dieser Vorschrift. Die Verwaltungsanweisung in Ziffer 63.3.6.3.2 Abs. 6 der Dienstanweisung zur Durchführung des Familienlastenausgleichs vom 29. Juni 2000, BStBl I Heft 10 - im folgenden DA - sei ohne gesetzliche Grundlage. Im übrigen sei das Guthaben in Höhe von ca. 90.000,-- DM noch als geringfügiges Vermögen anzusehen. Denn früher habe die Arbeitsverwaltung die Geringfügigkeit nach der Arbeitslosenhilfe-VO beurteilt. Die dort genannten Aufgriffswerte seien durch die 6. Verordnung zur Änderung der Arbeitslosenhilfeverordnung vom 18. Juni 1999 (BGBl I, S. 1439) erhöht worden. Es sei nicht einsichtig, weshalb nun auf die niedrigeren Werte gemäß R 190 Abs. 3 der Einkommensteuerrichtlinien - EStR - zurückgegriffen werde. Letztlich sei die Verwertung des Kindsvermögens nicht zumutbar, da der behinderte Sohn der Klägerin nie mehr wieder arbeiten und seinen Lebensunterhalt bestreiten könne. Er benötige den Vermögensstamm, um in Zukunft seinen Lebensunterhalt sicherzustellen, wenn er von der Klägerin nicht mehr versorgt werde.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 11. Mai 1999 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ab dem 1. April 1998 das Kindergeld für den Sohn ... in gesetzlicher Höhe zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der behinderte Sohn sei wegen des ihm gehörenden Guthabens nicht außerstande, sich selbst zu unterhalten und sei deshalb nicht als Kind im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 32 Abs. 4 Nr. 3 EStG anzuerkennen. Es handele sich bei dem Vermögen des Sohnes um kein geringfügiges Vermögen, da das Guthaben ca. 90.000,-- DM betrage. Nach der die Verwaltung bindenden Anweisung könnten lediglich solche Vermögen als gering eingestuft werden, deren Wert den Betrag von 30.000,-- DM nicht übersteige. Der Einsatz des Vermögens stelle auch keine Verschleuderung dar, da es sich um Geldguthaben handele. Im übrigen könne nicht davon ausgegangen werden, dass die gewählte Anlageform eine Alterssicherung des Sohnes sei. Denn als übliche Formen der Alterssicherung dienten lediglich kapitalbildende Lebensversicherungen oder von Kreditinstituten angebotene gleichartige Anlageformen, bei denen der Vertrag frühestens mit dem 60. Lebensjahr ende.
Zur Ergänzung des...