Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkünfte aus Kapitalvermögen bei Ausgleichszahlung im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines Darlehensvertrages
Leitsatz (amtlich)
Leistet die darlehensgewährende Bank im Zusammenhang mit der Rückabwicklung eines Darlehensvertrages (aufgrund Widerrufs des Kreditnehmers wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung) aufgrund eines Vergleichs eine Zahlung an den Kreditnehmer, so können darin Einkünfte aus Kapitalvermögen zu sehen sein.
Normenkette
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, § 32d Abs. 1 S. 1
Tatbestand
Strittig ist, ob Zahlungen, die im Hinblick auf die Rückabwicklung eines Darlehensvertrages vergleichsweise geleistet wurden, zu den Kapitaleinkünften im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG gehören.
Zur Finanzierung eines Hausgrundstücks nahm der Kläger im Jahr 2003 bei der X Bank ein Darlehen in Höhe von 245.000 € mit einer Zinsbindung bis zum 31. März 2018 auf. Nachdem der Kläger den Darlehensvertrag am 13. Juni 2016 wegen fehlerhafter Widerrufsbelehrung widerrufen hatte, wurde der Darlehensvertrag zum 31. Oktober 2014 gegen Zahlung der Restvaluta in Höhe von 126.718,54 EUR beendet. Hinsichtlich der weiteren Rückabwicklungsansprüche schlossen die beiden Vertragsparteien unter dem Datum vom 27. Januar 2017 einen Vergleich mit folgenden Vereinbarungen:
"… 2. … Die X Bank verpflichtet sich, unverzüglich nach Abschluss dieser Vergleichsvereinbarung einen Betrag in Höhe von 11.500,00 EUR an den Darlehensnehmer auf ein noch anzugebendes Kontos des Darlehensnehmers zu zahlen. Dieser Betrag kann ganz oder teilweise der Kapitalertragsteuer unterliegen. 3. Die Parteien sind sich darüber einig, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung und der gegenseitigen Erfüllung sämtliche Ansprüche aus dieser Darlehensangelegenheit erledigt sind. Die Parteien sind sich auch darüber einig, dass mit Abschluss dieser Vereinbarung sämtliche Ansprüche im Zusammenhang mit dem von den Darlehensnehmern erklärten Widerruf und/oder beabsichtigten Widerruf - egal ob bekannt oder unbekannt - erledigt sind. Die Darlehensnehmer verzichten ausdrücklich auf einen etwaigen Rückabwicklungsanspruch. 4. Kosten auf Seiten des Darlehensnehmers einschließlich etwaiger Anwaltskosten trägt dieser selbst. …"
Den Vergleichsbetrag von 11.500 € behandelte die X Bank vollumfänglich als steuerpflichtige Kapitalerträge und führte hierfür laut Steuerbescheinigung einen Betrag in Höhe von 2.875 € an Kapitalertragsteuer und einen Betrag in Höhe von 158,12 € an Solidaritätszuschlag ab.
Dem gegenüber vertrat der Kläger in seiner Steuererklärung für 2017 die Ansicht, dass der Vergleichsbetrag von 11.500 € nicht als Kapitalerträge zu berücksichtigen wäre, da keine Einkünfteerzielungsabsicht gegeben sei.
Von dieser Erklärungsangabe wich der Beklagte im Einkommensteuerbescheid 2017 vom 3. Dezember 2018 ab und erfasste den Vergleichsbetrag von 11.500 € - unter Hinweis auf das Schreiben des BMF vom 18. Januar 2016 Tz 8b (BStBl I 2016, 85)- als steuerpflichtige Kapitalerträge.
Gegen diesen Einkommensteuerbescheid erhob der Kläger mit Beraterschreiben vom 15. Dezember 2018 Einspruch. Unter Bezugnahme auf das Urteil des BFH vom 24. Mai 2011 (VIII R 3/09, BStBl II 2012, 254) wandte er ein, dass Zinsen dann nicht als Kapitalertrag anzusetzenden seien, wenn die gezahlten Darlehenszinsen über dem von der Bank gezahlten Ersatz lägen, was hier der Fall wäre, da die gezahlten Zinsen 118.419,38 € und die Bereitstellungszinsen 3.552,59 € betragen hätten. Zum Nachweis der gezahlten Zinsen legte er diverse Zinsbescheinigungen vor.
Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 28. Mai 2019 aus den nachfolgenden Gründen als unbegründet zurück:
Sei ein Darlehen aufgrund mangelhafter Widerrufsbelehrung rückabgewickelt worden, so stehe dem Widerrufenden ein Anspruch auf Zahlung eines Nutzungsersatzes zu (mit Hinweis auf das Urteil des OLG Stuttgart vom 28. März 2017 6 U 196/16, juris). Dieser Nutzungsersatz stelle nach dem BMF-Schreiben vom 12. April 2018 (BStBl I 2018, 624), welches das BMF-Schreiben vom 18. Januar 2016 ergänze, einkommensteuerpflichtige Kapitalerträge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG dar. Aus dem Urteil des BFH vom 24. Mai 2011 (VIII R 3/09, a.a.O.) sei anderes nicht abzuleiten. Dort habe der BFH einen wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den Kapitalerträgen in Gestalt der Verzugszinsen und den vom Steuerpflichtigen geleisteten Schuldzinsen gesehen, sodass die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Kapitaleinkünften abzuziehen gewesen seien. Ob der vorliegende Fall mit dem vom BFH entschiedenen Fall vergleichbar sei, wäre fraglich, da es hier um die Rückabwicklung eines auf freiwilliger Basis aufgenommenen Baudarlehens gehe und keine Refinanzierungsaufwendungen vorlägen. Dies dahingestellt komme der BFH nur unter der Voraussetzung, dass ein Werbungskostenabzug überhaupt in Betracht komme, zu seinem Ergebnis. Der vom BFH zu entscheidende Sachverhalt wäre nach der Einführung der Abgeltungssteuer im Jahr 2009 jedoch im Hinblick auf das Werbungskos...