Revision eingelegt (BFH I R 46/22)
Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbefreiung von Mitgliedern einer Truppe oder eines zivilen Gefolges nach Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat
Leitsatz (amtlich)
Für die Steuerbefreiung des Art. X Abs. 1 Satz 2 NATOTrStat ist nicht erforderlich, dass die Mitglieder einer Truppe oder eines zivilen Gefolges unter Art. X Abs. 1 Satz 1 NATOTrStat fallen, d.h. sich "nur in dieser Eigenschaft" im Hoheitsgebiet des Aufnahmestaates aufhalten.
Normenkette
AO § 122 Abs. 2 Nr. 1, § 355 Abs. 1 S. 1; EStG § 1 Abs. 1 S. 1; NATOTrStat Art. I Abs. 1 Buchst. a, Art. X Abs. 1 Sätze 1-2
Tatbestand
Zwischen den Klägern, in den Streitjahren (2009, 2012 und 2013) zusammen zur Einkommensteuer veranlagten und spätestens seit dem 2. Juni 2006 miteinander verheirateten Ehegatten, und dem Beklagten steht sowohl die Berechtigung des Klägers in Bezug auf steuerliche Privilegien des Abkommens zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen - NATOTrStat - (BGBl II 1961, 1190), umgesetzt durch das Gesetz zu dem Abkommen zwischen den Parteien des Nordatlantikvertrages vom 19. Juni 1951 über die Rechtsstellung ihrer Truppen und zu den Zusatzvereinbarungen vom 3. August 1959 zu diesem Abkommen vom 18. August 1961 - Gesetz zum NATO-Truppenstatut und zu den Zusatzvereinbarungen - (BGBl II 1961, 1183) in Streit als auch die Frage, ob Einkünfte des Klägers nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29. August 1989 i.d.F. der Bekanntmachung der Neufassung vom 4. Juni 2008 (BGBl I 2008, 612, BStBl I 2008, 784) - DBA-USA 1989/2008 - von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmen sind.
Der Kläger, ein US-amerikanischer Staatsangehöriger, und die Klägerin, eine deutsche Staatsangehörige, verfügten - spätestens - seit dem Jahr 2009 und - jedenfalls - bis zum Ende des Streitzeitraums über eine gemeinsame Wohnung in L (Deutschland). Für seine ausschließlich im Inland ausgeübte Tätigkeit als Reservist der US-amerikanischen Streitkräfte erzielte der Kläger in den Streitjahren Einnahmen in Höhe von - wenigstens - 28.943 € (2009), 11.949 € (2012) und 32.629 € (2013).
In seinem Bericht vom 8. November 2018 (Blatt 218 ff. der Einspruchsakte Einkommensteuer 2010 und 2011) über eine am 16. Oktober 2014 begonnene und durch das Finanzamt N bei dem Kläger durchgeführte Steuerfahndungsprüfung vertrat dieses - soweit für den Streitfall von Bedeutung - die Auffassung, der Kläger unterliege der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht, da er im Inland einen Wohnsitz begründet habe. Die Voraussetzungen des Art. X NATOTrStat träfen nicht zu. Der Wohnsitz sei erst Mitte des Jahres 2016 aufgegeben worden. Die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit betrügen 28.943 € für 2009, 11.949 € für 2012 sowie 32.629 € für 2013 und seien den US-amerikanischen Steuererklärungen entnommen worden.
Dem schloss sich der Beklagte an und setzte mit Einkommensteuerbescheiden vom 3. Januar 2020 die Einkommensteuer für die Streitjahre fest, wobei er bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit Bruttoarbeitslöhne von 28.943 € (2009), 11.949 € (2012) und 32.629 € (2013) zu Grunde legte.
Mit Schreiben vom 10. Februar 2020 - bei dem Beklagten an demselben Tag jeweils per Fax eingegangen - legten die Kläger hiergegen Einspruch ein. Zur Begründung machten sie geltend, der Kläger könne Art. X NATOTrStat für sich in Anspruch nehmen. Der Rückkehrwille zeige sich schon an dem Umstand, dass er zwischenzeitlich seit Jahren wieder in den USA lebe. Im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung sei die Einspruchsfrist noch nicht abgelaufen gewesen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 29. Mai 2020 verwarf der Beklagte die Einsprüche als unzulässig. Die Einsprüche seien nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist eingegangen. Die Bescheide seien vollmaschinell über das zentrale Rechenzentrum der Landesfinanzverwaltung versandt worden. Daher entspreche das maschinell erteilte Bescheiddatum regelmäßig dem Postaufgabedatum. Die Kläger hätten keine Unterlagen vorgelegt, die ihren Vortrag, die angefochtenen Bescheide seien erst am 8. Januar 2020 in der Kanzlei ihres Bevollmächtigten eingegangen, belege. Die Behauptung, die Bescheide trügen den internen Poststempel mit diesem Datum, reiche nicht aus. Ebendies gelte für den schriftlichen Vortrag des bevollmächtigten Rechtsanwalts sowie dessen für die Erfassung der Eingangspost zuständigen Mitarbeiterin.
Mit ihrer Klage machen die Kläger geltend, das Bestehen eines Rückkehrwillens sei durch die Rückkehr der gesamten Familie in die USA bestätigt worden. Er, der Kläger, habe bereits seit November 2015 eine neue Arbeitsstelle in den USA angetreten. Darüber hinaus habe er im Februar 2011 in den USA eine Firma gegründet, die er bis zum heutigen Zeitpunkt als Geschäftsfüh...