Entscheidungsstichwort (Thema)
Offenbare Unrichtigkeit bei falscher Rentenbesteuerung
Leitsatz (redaktionell)
Die Frage, ob bestandskräftige Einkommensteuerbescheide wegen offenbarer Unrichtigkeit auf Antrag gemäß § 129 AO zu ändern sind, wenn eine Erwerbsunfähigkeitsrente fälschlicherweise als nicht abgekürzte Leibrente besteuert wurde, läßt sich weder abstrakt noch durch Befragung des jeweiligen Sachbearbeiters als Zeugen klären, sondern nur unter Beachtung der Verhältnisse des Einzelfalles nach Aktenlage.
Normenkette
AO § 129 S. 1, § 173 Abs. 1 Nr. 2
Nachgehend
Tatbestand
Zwischen den Parteien ist strittig, ob bestandskräftige Einkommensteuerbescheide auf Antrag zu ändern sind, wenn eine Erwerbsunfähigkeitsrente fälschlicherweise als nicht abgekürzte Leibrente besteuert wurde.
Die Kläger sind Eheleute. Der Kläger bezog ab 1. Juli 1992 und die Klägerin ab 1. Oktober 1993 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Den Bezug der Erwerbsunfähigkeitsrente erklärten sie in der Anlage KSO. Dort kreuzten sie die Zeile 31 "Berufs- oder Erwerbsunfähigkeitsrente" an. Ferner gaben sie an, seit wann die Rente läuft. Die Zeile 39 "Die Rente erlischt ..." ließen sie unausgefüllt. Den Ertragsanteil der Rente bezifferten sie in der Zeile 41 auf 41 v. H. Bei der Anfertigung der Steuererklärungen wirkte eine Steuerberaterin mit. Die Veranlagungsbeamten versahen den erklärten Renten-Ertragsanteil in sämtlichen Jahren mit einem Haken. Bei der Veranlagung für 1993 vollzog der Finanzbeamte außerdem die Höhe der erklärten Rente durch handschriftliche Addition nach. Bei der Veranlagung für 1994 ergänzte er die Anlage KSO, indem er dort in der Zeile 31 unter "2. Rente" ein Kreuz eintrug. Bei der Veranlagung für 1995 und 1996 ordnete er die als 2. Rente des Klägers erklärte Rente in Abweichung zur Steuererklärung der Klägerin zu. Die Einkommensteuerveranlagung wurde mit den erklärten Renten-Ertragsanteilen durchgeführt.
Am 26. März 1998 beantragte die Steuerberaterin, die Einkommensteuerbescheide der Kläger für die Jahre 1992 bis 1996 zu ändern. Den Antrag auf Änderung lehnte der Beklagte durch Bescheid vom 2. April 1998 ab. Der am 20. April 1998 erhobene Einspruch hatte lediglich bezüglich 1994 teilweise Erfolg und wurde im übrigen durch Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 1998 zurückgewiesen. Seine Entscheidung begründete der Beklagte damit, eine Änderung nach § 173 Absatz 1 Nr. 2 AO scheitere daran, dass dem Finanzamt der Bezug einer abgekürzten Leibrente im Zeitpunkt der Veranlagung bekannt gewesen sei. Und einer Änderung nach § 129 AO stehe entgegen, dass bei der Ermittlung des Ertragsanteils geprüft werden müsse, um welche Rentenart es sich handele, seit wann die Rente gewährt werde und wie ihre Laufzeit sei; ein rein mechanisches Versehen scheide daher aus.
Mit der Klage begehren die Kläger weiterhin die Änderung der Einkommensteuerbescheide der Jahre 1993 bis 1996. Hierzu tragen sie im wesentlichen vor, sowohl der Beklagte als auch die Kläger seien von einer abgekürzten Leibrente ausgegangen. Damit könne die Frage der Rentenart entgegen den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung nicht mehr Gegenstand einer rechtlichen Würdigung in den Folgejahren gewesen sein. Stehe die Rentenart eindeutig fest, sei die Ermittlung des Ertragswertes nicht mehr das Ergebnis einer rechtlichen Würdigung, sondern nur die zwingende gesetzliche Konsequenz, vergleichbar mit dem Ablesen der Einkommensteuer bei gegebenem zu versteuerndem Einkommen. Einzig die Beurteilung der Rentenart sei Gegenstand einer rechtlichen Würdigung, hingegen sei die Ermittlung des Ertragswertes weder eine rechtliche Beurteilung noch eine weitere Sachverhaltsaufklärung erforderlich machende Tatsache. Fehler bei der Ermittlung des Ertragswertes seien offenbare Unrichtigkeiten. Zu dem Fehler sei es gekommen, weil ihre steuerliche Vertreterin im von ihr verwendeten Taylorix-Programm das Ende der Rentenlaufzeit nicht eingegeben habe. Das Programm sei automatisch von einer Leibrente ausgegangen und habe den Ertragsanteil nach § 22 EStG errechnet. In der damals verfügbaren Version habe es den Anwender nicht aufgefordert, das Ende der Laufzeit einzugeben. EDV-Fehler dieser Art sowie das Nichtausfüllen von Zeilen würden offenbare Unrichtigkeiten darstellen. Der Beklagte habe sich den Fehler der Kläger zu eigen gemacht, indem er ihren Fehler ungeprüft übernommen habe, was die vier unterschiedlichen Sachbearbeiter des Beklagten bezeugen könnten.
Darüber hinaus gebiete sich eine Änderung nach § 173 Absatz 1 Nr. 2 AO, da es kein grobes Verschulden darstelle, wenn die bei der Steuererklärung mitwirkende Steuerberaterin einen Fehler eines nicht ganz ausgereiften Computerprogrammes nicht erkannt habe.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Ablehnungsbescheid vom 2. April 1998 sowie die Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 1998 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, für 1993 bis 1996 geänderte Einkommensteuerbescheide mit der Maßgabe zu erla...