Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für Lohnsteuer 1991
Tenor
I. Der Haftungsbescheid vom 10. Juli 1992 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 1992 wird aufgehoben, soweit die Lohnsteuer, der Solidaritätszuschlag, die Säumniszuschläge und Verspätungszuschläge hierzu betroffen sind.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten zugunsten des Klägers vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als ehemaliger Geschäftsführer der Firma … im folgenden GmbH genannt für deren rückständige Lohnsteuer als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden kann.
Der Kläger war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH. Die GmbH hat ihren Sitz am 04. November 1991 von … nach 3 … und am 30. Juni 1992 nach … 1, verlegt, vgl. Schreiben des Klägers vom 08.09.1992, Bl. 33 LSt-Akte Bd. 2. Am 15. Dezember 1992 wurde beim zuständigen Amtsgericht in … ein Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der GmbH gestellt (Bl. 44 Haftungsakte Bd. 2). Mit Beschluß vom 26. April 1993 hat das Amtsgericht … den Antrag auf Eröffnung des Gesamtvollstreckungsverfahrens abgelehnt, „weil das Vermögen des Schuldners so gering ist, daß die Kosten des Verfahrens nicht gedeckt werden können” (Bl. 129 Prozeßakten). Am 12. August 1993 wurde die Auflösung der GmbH ins Handelsregister eingetragen (Bl. 130 Prozeßakten). Zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator der GmbH wurde der Kläger bestellt.
Die GmbH hatte erhebliche Steuerrückstände an Umsatzsteuer und einbehaltener, aber nicht abgeführter Lohn- und Lohnkirchensteuer sowie an Solidaritätszuschlag und steuerlichen Nebenleistungen aus der Zeit von Juli bis Dezember 1991. Wegen dieser Rückstände hat der Beklagte am 28. Oktober 1991 diverse Pfändungs- und Einziehungsverfügungen gegenüber den Auftraggebern der GmbH als Drittschuldner erlassen, so u.a. gegenüber der Gemeindeverwaltung … und gegenüber der …. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Pfändungs- und Einziehungsverfügungen sowie die Drittschuldnererklärungen Bezug genommen (Bl. 33 ff. Vollstreckungsakten Bd. 1). Am 27. November 1991 erfolgte durch die Stadtkasse Bingen eine Zahlung in Höhe von 41.000 DM, die auf Lohnsteuer 7/91 in Höhe von 5.978,81 DM, Lohnsteuer 8/91 in Höhe von 23.524,55 DM und auf Lohnsteuer 9/81 in Höhe von 11.496,64 DM verbucht worden sind (Bl. 56 Vollstreckungsakten Bd. 1). Nachdem die … am 21. April 1992 dem Finanzamt mitgeteilt hat, daß nicht sie, sondern die … Drittschuldnerin sei, wurde der Betrag von 41.000 DM am 15. Mai 1992 an die Stadt … zurücküberwiesen und die Verbuchung dieses Betrages auf die Lohnsteuer 7–9/91 storniert (Bl. 212 und 220 Vollstreckungsakten). Am 02. Februar 1995 erfolgte durch die Verbandsgemeinde … eine Zahlung in Höhe von 31.164,27 DM, die auf die Lohnsteuer 7–9/91 verbucht worden ist (Bl. 486 Vollstreckungsakten).
Am 05. Dezember 1991 erließ der Beklagte weitere Pfändungs- und Einziehungsverfügungen, u.a. gegenüber der Firma … in 6670 … wegen Abgabenrückstände der GmbH in Höhe von 176.196,78 DM (Bl. 75 ff. Vollstreckungsakten Bd. 1). Am 12. März 1992 leistete die Firma … eine Zahlung in Höhe von 92.499,23 DM. die laut Zahlungsmitteilung vom 30. März 1992 an die GmbH wie folgt verbucht, worden sind:
Lohnsteuer 9/91 |
9.883,61 DM |
Lohnsteuer 10/91 |
28.720,49 DM |
Lohnsteuer 11/91 |
67,50 DM |
Lohnsteuer 12/91 |
171,35 DM |
Umsatzsteuer 6/91 |
15.099,60 DM |
Umsatzsteuer 8/91 |
17.997,78 DM |
Umsatzsteuer 10/91 |
20.453,90 DM |
(Bl. 188, 189 Vollstreckungsakten Bd. 1). Am 22. Mai 1992 und 15. Juni 1992 erfolgten durch die Firma … weitere Zahlungen in Höhe von 50.000 DM und 21.714,52 DM, die auf Umsatzsteuerrückstände 7–9/91 verbucht worden sind (Bl. 243 und 249 Vollstreckungsakten, Bd. 1).
Die Rückstände beruhten bei der Lohnsteuer auf den Lohnsteuervoranmeldungen, die durch den Kläger als Geschäftsführer der GmbH abgegeben worden sind. Da von der GmbH nach Auffassung des Finanzamts die rückständigen Steuern nicht beigetrieben werden konnten, fragte es mit Schreiben vom 15. Juni 1992 unter Hinweis auf die Steuerschulden der GmbH nach dem Grund der unterlassenen Zahlung an. Hierzu hat der Kläger am 25. Juni 1992 dem Finanzamt im wesentlichen folgendes mitgeteilt:
Die Geschäftskonten hätten am 19. August 1991 einen Minusbetrag von 536.676,45 DM ausgewiesen. Die Verbindlichkeiten, ausgenommen die Schulden beim Finanzamt … hätten am 05. Juni 1992 579.781,41 DM betragen. Derzeit seien noch immer nicht alle Baustellen abgerechnet. Die GmbH sei jedoch bereit, ihre Steuerschulden beim Finanzamt zu begleichen.
Wegen der Rückstände (Lohnsteuer. Solidaritätszuschlag usw.) in Höhe von 59.792,01 DM erließ das Finanzamt am 10. Juli 1992 gemäß § 191 Abs. 1 i.V.m. den §§ 69, 34 AO einen Haftungsbescheid gegenüber dem Kläger (Bl. 16 ff. Haftungsakte, Bd. 3).
Den hiergegen erhobenen Einspruch (Bl. 23 Haftungsakte, Bd. 3) hat das Finanzamt mit der Einspruchsentscheidung vom 22. Dezember 1992 zurückgewies...