Entscheidungsstichwort (Thema)
Abzweigung von Kindergeld
Leitsatz (amtlich)
Die Versagung der Abzweigung von Kindergeld für ein in einem Jugendheim untergebrachtes Kind durch die Agentur für Arbeit an die Jugendhilfe leistende Gemeinde ist bei der eingeschränkten Ermessensüberprüfung nicht zu beanstanden, wenn der Kindergeldberechtigte dem Kind Unterhalt in Natural- und Geldleistungen (14-tägliche oder wöchentliche Wochenendbesuche des Kindes zu Hause, Begleichung eines Teils der Fahrtkosten) gewährt.
Normenkette
EStG § 74 Abs. 1; AO § 5; FGO § 102
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist allein die Abzweigung von Kindergeld an die Klägerin.
Der Beigeladene bezog Kindergeld für seinen leiblichen Sohn P., der am 19. Februar 1989 geboren wurde. Das Jugendamt der Klägerin gewährt P. seit dem 06. Mai 2002 Jugendhilfe in einem Jugendheim; die Kosten hierfür betragen monatlich rund 3.900,-- €, welche von der Klägerin getragen werden. Die Prüfung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Beigeladenen hat Leistungsunfähigkeit ergeben.
Mit Schreiben vom 02./06. Mai 2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten, das Kindergeld an sie, die Klägerin, auszuzahlen. Im anschließenden Verfahren erklärte der Beigeladene, das Kind sei an jedem zweiten Wochenende in seinem Haushalt, ab den Sommerferien 2002 an jedem Wochenende, auch zahle er einen Teil der Fahrtkosten. Mit Bescheid vom 13. Juni 2002 lehnte die Beklagte, die den Antrag als Antrag auf Abzweigung wertete, ab. Der Einspruch hiergegen hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 08. Oktober 2002). Als Begründung wurde auf die Ausführungen des Beigeladenen verwiesen; dieser komme seiner Unterhaltspflicht durch Betreuung des Kindes und durch Gewährung von Naturalunterhalt nach. In der Einspruchsentscheidung ist ausdrücklich festgehalten, dass die Entscheidung auf § 74 Abs. 1 EStG (Abzweigung) beruhe und eine solche nach § 74 Abs. 2 EStG noch nicht getroffen sei.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor, der kindergeldberechtigte Vater des P. sei nicht leistungsfähig und damit nicht unterhaltspflichtig. Der Vater komme auch, entgegen der Auffassung der Beklagten, seiner Unterhaltspflicht nicht nach. Da der Beigeladene mit dem Kind nicht zusammenlebe, wäre er allenfalls barunterhaltspflichtig. Betreuungsunterhalt leiste derjenige, der den Unterhaltsberechtigten mit Nahrung, Kleidung, Wohnung, Unterricht, Pflege usw. versorge. Diese Leistungen würden auf Kosten und im Auftrag der Klägerin im Jugendheim und nicht durch den Vater erbracht. Derjenige, bei dem sich ein Kind besuchsweise aufhalte, leiste keinen Betreuungsunterhalt im Sinne des Familienrechts. Wäre dem so, so würden Barunterhaltsansprüche regelmäßig durch Besuchsregelungen ausgehöhlt werden.
Der Beigeladene erklärt (in der mündlichen Verhandlung), er bezahle die Fahrkarten auch heute noch jedenfalls teilweise; das Bahnticket für seinen Sohn gehe nur bis H., der Sohn müsse aber bis R. fahren. Vor einiger Zeit habe er, der Beigeladene, ein Bußgeld des Sohnes wegen Schwarzfahrens auf den letzten drei Stationen in Höhe von 40,-- € begleichen müssen. Weiterhin erklärt der Beigeladene, Sohn P. sei im Jahr 2003 von 365 Tagen an 196 Tagen daheim gewesen. Wegen des Jahres 2002 bestätigt der Beigeladene die oben erwähnte Auskunft.
Der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung erwidert, dass das Jugendamt auch – allerdings auf Antrag – Fahrtkosten übernehme, weiterhin, dass ein Verpflegungsgeld gezahlt werden könne. Im übrigen hält er einen Stundensatz von nach alter Währung 15,-- DM als relativ zu hoch.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des ablehnenden Bescheids vom 13. Juni 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08. Oktober 2002 den Beklagten zu verpflichten, ab dem 06. Mai 2002 das für das Kind P. gewährte Kindergeld in voller Höhe abzuzweigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beigeladene komme seiner Unterhaltspflicht durch Betreuungsleistungen und durch Gewährung von Naturalunterhalt nach, da er das Kind – und dies werde von der Klägerin bestätigt – an den Wochenenden aufnehme und versorge. Lebe das Kind, für das die Abzweigung beantragt werde, außerhalb des Haushalts des Kindergeldberechtigten, so sei im Regelfall davon auszugehen, dass das Kind selbst, das Jugendamt oder das Sozialamt die Unterhaltskosten trage. Bei Kindern, die in Heimen lebten, sei diese Regelvermutung dann schlüssig widerlegt, wenn der Berechtigte nachweise oder glaubhaft mache, dass die dem Berechtigten entstehenden Aufwendungen den Wert des Kindergelds erreichten, wenn der Berechtigte das Kind zumindest jedes zweite Wochenende im elterlichen Haushalt betreue.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist unbegründet.
Zu Recht hat die Beklagte den Antrag auf Abzweigung des Kindergelds nach § 74 Abs. 1 EStG abgelehnt, da der Beigeladene tatsächlich einen nicht unerheblichen Beitrag zum Unterhalt seines Sohnes P. geleist...