Leitsatz
Grundsätzlich trägt das Finanzamt die Feststellungslast für steuererhöhende Tatsachen. Da Vermögen normalerweise über Jahre hinweg angespart wird, besteht die tatsächliche Vermutung, dass ein Steuerpflichtiger Vermögen, das ihm nachweislich zum 1.1. eines Jahres zuzurechnen ist, nach Abzug der möglichen Ersparnis der letzten 12 Monate auch schon zum 1.1. des vorangegangenen Jahres besaß. Der Steuerpflichtige kann den Beweis des ersten Anscheins entkräften, indem er substantiiert die Herkunft des Vermögens darlegt.
Sachverhalt
Im Urteilsfall haben zusammenveranlagte Steuerpflichtige keine Vermögensteuererklärungen für verschiedene. Im Rahmen von Steuerfahndungsmaßnahmen, die den Geldtransfer von einer Volksbank zu einer Luxemburger Bank betrafen, entdeckte das Finanzamt einen Wertpapier-Übertrag vom 8.1.1993 auf ein Depotkonto nach Luxemburg. Ferner stellte die Steuerfahndung fest, dass die Steuerpflichtigen von ihrem Termingeldkonto am 29.1.1993 einen Geldbetrag abgehoben haben. Da für denselben Tag auf dem bankinternen Tafelpapierkonto der Erwerb zweier Tafelpapiere verbucht wurde, ging das Finanzamt von einem Erwerb dieser Papiere durch die Steuerpflichtigen aus. Nach Einleitung eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens gegen die Steuerpflichtigen forderte die Steuerfahndung bei verschiedenen Banken Mitteilungen an, aus denen sich die den Steuerpflichtigen zuzurechnende Kontostände zu Beginn der Jahre 1989 - 1995 und die Höhe erzielter Zinserträge ergeben. Das Finanzamt erließ für die entsprechenden Veranlagungszeiträume Vermögensteuerbescheide, bei denen es für die Stichtage 1.1.1992 und 1.1.1993 die Zahlenwerte aus den Bankbescheinigungen ansetzte. Das Vermögen der Steuerpflichtigen laut Bankbescheinigungen erhöhte sich vom 1.1.1991 auf den 1.1.1992 aus ungeklärten Gründen. Aus diesen Gründen nahm das Finanzamt an, dass die Steuerpflichtigen auch vor dem 1.1.1992 Tafelpapiere gehalten haben. Es schätzte zusätzliches Kapitalvermögen auf den 1.1.1989 und auf den 1.1.1991. Die Steuerpflichtigen begehrten die Korrektur der Vermögensteuerbescheide hinsichtlich der geschätzten Beträge. Sie teilten mit, dass sie keine Tafelpapiere gehalten oder Geld in Luxemburg angelegt haben. Ferner sei nicht zutreffend gewesen, dass sie bei der Aufklärung nicht mitgewirkt haben.
Entscheidung
Nach Rechtsauffassung des FG hat das Finanzamt zu Recht dem durch Bankbescheinigungen nachgewiesenem Kapitalvermögen weiteres Kapitalguthaben hinzugeschätzt. Hinsichtlich der Höhe der Hinzuschätzungen ergeben sich noch Änderungen. Grundsätzlich obliegt die Feststellungslast bei steuerbegründenden Sachverhalten dem Finanzamt. Steuerpflichtige erwerben ihr Vermögen nach Ansicht des FG nicht von heute auf morgen. Es besteht die tatsächliche Vermutung, dass zu einem Stichtag nachweislich vorhandenes Vermögen dem Steuerpflichtigen bereits zum vorangegangenen Stichtag abzüglich einer möglichen Ersparnis des letzten Kalenderjahres zuzurechnen war. Bestreitet der Steuerpflichtige über dieses Vermögen damals schon verfügt zu haben, muss er den Beweis des ersten Anscheins entkräften, indem er substantiiert die Herkunft des Vermögens darlegt. Hat der Steuerpflichtige die Vermögensherkunft erläutert und hält das Finanzamt dennoch einen höheren Wertansatz für richtig, liegt die Feststellungslast beim Finanzamt. Bei einem nicht übermäßig großen Kreditinstitut kann nach Ansicht des FG eine zufällige Übereinstimmung ausgeschlossen werden. Stichhaltige Erläuterungen der Steuerpflichtigen zur Verwendung der Gelder fehlen. Angesichts der Größenordnung des betroffenen Geldbetrages und dem nicht unerheblichen Anteil am Gesamtvermögen ist die Behauptung, sie könnten sich nicht mehr erinnern, was mit dem Vermögen geschehen sei, als Schutzbehauptung zu werten.
Hinweis
Unberechtigte Zuschätzungen von Kapitalvermögen und Kapitalerträgen können durch Aufbewahrung von Unterlagen, die größere Anschaffungen oder die Herkunft größerer Vermögenszugänge nachweisen, vermieden werden.
Link zur Entscheidung
Niedersächsisches FG, Urteil vom 27.05.2003, 1 K 252/01