Dipl.-Finw. (FH) Anna M. Nolte
Nach § 4 Abs. 4a EStG ist der betriebliche Schuldzinsenabzug seit 1999 nur noch beschränkt zulässig, soweit der Steuerpflichtige sog. Überentnahmen tätigt. Von einer Überentnahme wird gesprochen, wenn der Steuerpflichtige mehr entnimmt als Gewinn und Einlagen im Wirtschaftsjahr ausmachen. Die Regelung unterbindet, dass Steuerpflichtige durch ein Zwei- oder Mehrkontenmodell im Wege der Betriebsentnahmen und anschließender Fremdfinanzierung des Betriebsausgabenbereichs abziehbare Finanzierungskosten konstruieren, obwohl sie mit dem Geld de facto ihre privaten Ausgaben finanzieren. Der Begriff der Entnahme richtet sich nach der Legaldefinition des § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG. Die Regelung erfasst ausschließlich Schuldzinsen, die betrieblich veranlasst sind. In einem zweiten Schritt ist sodann zu prüfen, ob der Betriebsausgabenabzug mit Blick auf die Überentnahme-Regelung des § 4 Abs. 4a EStG eingeschränkt ist. Unter den sog. Überentnahmen wird der Betrag verstanden, um den die Entnahmen die Summe des Gewinns und der Einlagen des Wirtschaftsjahrs übersteigen. Private Verbindlichkeiten, deren Zinsen nach § 4 Abs. 4 EStG nicht betrieblich veranlasst sind, sind bei der Ermittlung der Entnahmen i. S. d. § 4 Abs. 4a EStG nicht zu berücksichtigen.
Die Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs erfolgt dergestalt, dass die nicht abziehbaren Schuldzinsen typisiert mit 6 % der Überentnahme des Wirtschaftsjahrs zuzüglich der Überentnahme vorangegangener Wirtschaftsjahre, abzüglich der Beträge, um die in den vorangegangenen Wirtschaftsjahren der Gewinn und die Einlagen die Entnahmen überstiegen haben (= sog. Unterentnahmen) ermittelt werden. Der so ermittelte Betrag ist dem Gewinn hinzuzurechnen; er darf allerdings nicht höher sein als der um 2.050 EUR verminderte Betrag der im Wirtschaftsjahr angefallenen Schuldzinsen. Es sind auch Entnahmen von Wirtschaftsgütern zu berücksichtigen, die bereits vor der Einführung des § 4 Abs. 4a EStG in den Betrieb eingelegt worden sind.
Da der Hinzurechnungsbetrag der nicht abziehbaren Schuldzinsen ausschließlich Schuldzinsen betrifft, die für betriebliche Zwecke angefallen sind, kann er nicht als sog. typisierter Zinsaufwand im Rahmen einer anderen Einkunftsart, wie z. B. Vermietung und Verpachtung, berücksichtigt werden. Der Umstand, dass die Barentnahmebeträge, die im Rahmen des § 4 Abs. 4a EStG zu – periodenübergreifenden – Überentnahmen geführt haben, zur Erzielung von Einnahmen innerhalb einer anderen Einkunftsart verwendet worden sind, führt nicht dazu, dass der wirtschaftliche Zusammenhang der tatsächlich angefallenen Kontokorrentzinsen mit der betrieblichen Tätigkeit des Klägers zu Gunsten der anderen steuerrelevanten Tätigkeit gelöst wird. Betrieblich veranlasste Schuldzinsen sind ungeachtet der Frage, inwieweit sie steuerlich abzugsfähig sind, dem Grunde nach weiterhin Betriebsausgaben. Dieser Veranlassungszusammenhang wird durch die Regelung des § 4 Abs. 4a EStG nicht durchbrochen.
Die Frage, ob die typisierte Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen mit 6 % der Überentnahmen angesichts des strukturellen Niedrigzinsniveaus gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Übermaßverbot verstößt, hat der BFH mit Blick auf eine evtl. spätere Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) zu weiteren dafür erforderlichen Tatsachenfeststellungen an das Finanzgericht zurückverwiesen.
Auswirkung des Erhalts einer steuerfreien Investitionszulage sowie von nicht abziehbaren Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG: Für Zwecke der Berechnung nicht abziehbarer Schuldzinsen nach § 4 Abs. 4a EStG ist der bilanzielle Gewinn nicht um eine steuerfreie Investitionszulage zu kürzen, da sich diese positiv auf die Kapitalentwicklung des Unternehmens auswirkt. Nicht abziehbare Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 5 Satz 1 EStG sind dem Gewinn für Zwecke der Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen nicht hinzuzurechnen.
Anhängiges Verfahren
Beim BFH ist in einem weiteren Verfahren die Frage anhängig, ob die typisierte Berechnung der nicht abziehbaren Schuldzinsen mit 6 % der Überentnahmen angesichts des strukturellen Niedrigzinsniveaus gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und das Übermaßverbot verstößt ggf. mit der Folge, dass für die Streitjahre (2013 bis 2016) ein Zinssatz von 2,9 % zugrunde gelegt werden kann?