Dipl.-Finw. (FH) Helmut Lehr
1 Bedeutung von ("offenen") Forderungen
Hat sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz geändert, muss der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, den dafür geschuldeten Umsatzsteuerbetrag und der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend berichtigen. Der Vorsteuerabzug ist jedoch nicht zu berichtigen, soweit der Unternehmer durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird.
Ertragsteuerlich werden Forderungen durch Einzelwertberichtigungen und durch Pauschalwertberichtigungen korrigiert. Für Zwecke der Umsatzsteuer kann eine Forderungsberichtigung nur anerkannt werden, wenn sie zu einer Entgeltminderung i. S. d. § 17 UStG führt. Eine Entgeltminderung liegt u. a. vor, wenn der Leistungsempfänger bei der Zahlung diese um bestimmte Beträge kürzt oder wenn der Leistungsgeber (Lieferant) dem Leistungsempfänger nach Bezahlung bestimmte Beträge zurückerstattet. Die Minderung des Entgelts muss ursächlich mit der getätigten Leistung zusammenhängen und darf nicht aufgrund einer weiteren Leistung erfolgen, z. B. bei einer Aufrechnung. Entgeltminderungen werden in der Praxis häufig als Skonti, Rabatte, Boni und sonstige Preisnachlässe, z. B. wegen einer Mängelrüge, gewährt. Ertragsteuerlich zulässige Pauschalwertberichtigungen führen grundsätzlich nicht zu einer Entgeltminderung bei der Umsatzsteuer.
2 Preisnachlässe und Preiserstattungen innerhalb der Leistungskette
Nach der Rechtsprechung des EuGH darf dem Fiskus aus allen Umsatzgeschäften von der Produktion bis zum Endverbrauch insgesamt nur der Umsatzsteuerbetrag zufließen, den der Endverbraucher wirtschaftlich aufwendet. Für Unternehmer, die auf den Produktions- und Vertriebsstufen vor der Endverbrauchsstufe tätig sind, muss die Umsatzbesteuerung grundsätzlich neutral sein.
Deshalb kann auch die Ausgabe eines Gutscheins im Rahmen einer Werbemaßnahme, der einen Endabnehmer in die Lage versetzt, eine Leistung um den Nennwert des Gutscheins verbilligt zu erwerben, zu einer Minderung der Bemessungsgrundlage führen. Dies gilt unabhängig davon, ob die mit dem Gutschein verbundene Vergütung auf allen Stufen der Leistungskette vom Hersteller bis zum Endabnehmer erfolgt. Ebenso wenig kommt es auf die Position des Unternehmers, der den Preisnachlass gewährt, oder die des begünstigten Abnehmers in der Leistungskette an.
Erstattet daher ein Unternehmer in einer Leistungskette einem nicht unmittelbar nachfolgenden Abnehmer (begünstigter Abnehmer) einen Teil des von diesem gezahlten Leistungsentgelts oder gewährt er ihm einen Preisnachlass, mindert sich dadurch die Bemessungsgrundlage für den Umsatz dieses Unternehmers an seinen unmittelbaren Abnehmer, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Der den Preisnachlass gewährende Unternehmer hat eine im Inland steuerpflichtige Leistung erbracht,
- die Leistung an den begünstigten Abnehmer ist im Inland steuerpflichtig und
- der den Preisnachlass gewährende Unternehmer hat das Vorliegen der vorstehenden Voraussetzungen sowie den Preisnachlass bzw. die Preiserstattung nachgewiesen.
Die Bemessungsgrundlage der Leistung des den Preisnachlass gewährenden Unternehmers wird um den Betrag des Preisnachlasses/der Preiserstattung abzüglich der Umsatzsteuer gemindert, die sich nach dem Umsatzsteuersatz berechnet, der auf den Umsatz Anwendung findet, für den der Preisnachlass/die Preiserstattung gewährt wird. Der Unternehmer hat entsprechend § 17 Abs. 1 Satz 7 UStG die Minderung der Bemessungsgrundlage für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem er den Preisnachlass gewährt hat.
Zur Ausgabe von kostenlosen Werbegutscheinen in Form von Freimünzungen für Geldspielautomaten hat der BFH entschieden, dass insoweit regelmäßig kein Leistungsaustausch vorliegt. Der Vorgang erschöpfe sich wirtschaftlich darin, dass der Kunde i. H. des Freibetrags "umsonst" spielen dürfe.
3 Berichtigungszeitpunkt
Entgeltsberichtigungen aufgrund der Änderung der Bemessungsgrundlage sind für den Besteuerungszeitraum (Voranmeldungszeitraum) vorzunehmen, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten ist. Nach den Vorgaben des EuGH hat der BFH seine frühere Rechtsprechung geändert und entschieden, dass eine Entgeltsberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG die tatsächliche Rückzahlung erfordert und nicht lediglich eine "vertragliche Vereinbarung" darüber. Die Finanzverwaltung hat sich dieser Auffassung angeschlossen. Mindert sich der Kaufpreis aufgrund einer Mängelrüge, ändert sich die Bemessungsgrundlage im Zeitpunkt der tatsächlichen Realisierung der Ansprüche (Erfüllungsgeschäft).