Der Zeitpunkt der Entstehung von Forderungen ist sowohl in ertrag- als auch in umsatzsteuerlicher Hinsicht bedeutsam. Grundsätzlich entsteht eine Forderung aus dem Kauf-, Dienst- oder Werkvertrag erst mit der vollständigen Erbringung der vereinbarten Lieferung/Leistung (z. B. nach Abnahme beim Bauvertrag gem. §§ 650a, 650g Abs. 4 BGB). Wenn z. B. ein Unternehmen Gerüste baut und vermietet, dann bestimmt sich der Zeitpunkt der "wirtschaftlichen Erfüllung" des Gerüstbauvertrags nach den für Werkverträge geltenden Kriterien. Ist eine förmliche Abnahme des Gerüstabbaus nicht vereinbart und durchgeführt worden, ist für den Zeitpunkt der Realisierung des Gewinns auf den Zeitpunkt des vollständigen Erbringens der vertraglich geschuldeten Leistung, d. h. auf die Beendigung des Abbaus des Gerüsts, abzustellen. Solange der Provisionsanspruch des Handelsvertreters noch unter der aufschiebenden Bedingung der Ausführung des Geschäfts steht, ist er nicht zu aktivieren. Provisionsvorschüsse sind beim Empfänger als "erhaltene Anzahlungen" zu passivieren. Aufwendungen, die im wirtschaftlichen Zusammenhang mit den Provisionsvorschüssen stehen, sind nicht als "unfertige Leistung" zu aktivieren, wenn kein Wirtschaftsgut entstanden ist. Erst nach Entstehen des Anspruchs ist auch die Umsatzsteuer für die erbrachten Umsätze fällig. Forderungen aus schwebenden Geschäften sind nicht zu aktivieren. Schwebende Geschäfte liegen z. B. vor, wenn keine der beiden Vertragsparteien ihren Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag nachgekommen ist.
Ob ein gegenseitiger Vertrag am Bilanzstichtag voll oder nur teilweise erfüllt ist und daher noch ein zum Teil schwebendes Geschäft vorliegt, ist unter Berücksichtigung der für das jeweilige Rechtsgeschäft geltenden zivilrechtlichen Vorschriften zu entscheiden.
Der Zeitpunkt der Rechnungserstellung ist für die Entstehung der Forderung ebenso wenig relevant wie die Fälligkeit des Forderungsbetrags.
Der BFH muss darüber entscheiden, zu welchem Zeitpunkt die Provisionsforderungen aus einer Tätigkeit als Versicherungsvermittler unter Beachtung des § 92 Abs. 4 HGB zu aktivieren sind. Zu klären ist auch, ob eine Forderung des Versicherungsvermittlers gegen den Versicherer auf Auszahlung weiterer (vorläufig einbehaltener) Provisionen in Höhe ihres Ist-Stands anzusetzen oder ein – tatsächlich nicht erreichter – Soll-Bestand maßgeblich ist.
2.1 Bilanzierung von Forderungen
Zum Bilanzstichtag werden nur solche Forderungen gebucht, die bereits entstanden sind. Forderungen aus Lieferungen und Leistungen sind zu aktivieren, wenn die für die Entstehung wesentlichen wirtschaftlichen Ursachen im abgelaufenen Geschäftsjahr gesetzt worden sind und der Kaufmann mit der künftigen rechtlichen Entstehung des Anspruchs fest rechnen kann. Bei Lieferung von beweglichen Gegenständen (z. B. Waren) entsteht eine Forderung, sobald die betreffenden Sachgüter an den Kunden ausgeliefert worden sind. Der Kunde muss die Verfügungsmacht über den Liefergegenstand erhalten haben. Bei Dienstleistungen und Werkleistungen müssen Forderungen in der Bilanz erstmals ausgewiesen werden, wenn der geschuldete Erfolg erbracht wurde (z. B. Auto-Reparatur). Ob und wann die Rechnung erstellt wird und ob sie fällig ist, ist für die Aktivierung der Forderung unerheblich.
Wird eine Forderung aus Lieferungen und Leistungen eingebucht, erhöht dies stets den Gewinn um den Nettorechnungsbetrag.
Eine Passivierung erhaltener Projektentwicklungshonorare für eine noch ausstehende zeitraumbezogene Leistung ist nicht als erhaltene Anzahlung, sondern nur unter den Voraussetzungen der passiven Rechnungsabgrenzung möglich. Eine Schätzung der "bestimmten Zeit" als Tatbestandsvoraussetzung für eine passive Rechnungsabgrenzung erhaltener Einnahmen ist zulässig, wenn sie auf "allgemeingültigen Maßstäben" beruht. Daran fehlt es, wenn die angewendeten Maßstäbe auf einer Gestaltungsentscheidung des Steuerpflichtigen beruhen, die geändert werden könnte. Der BFH hat ausgeführt, dass bei Schuldverhältnissen, die zeitraumbezogene Leistungsverpflichtungen begründen, wegen ...