2.1 Entstehung des Factorings
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Der Grundgedanke des Factoring-Geschäfts – der Forderungsverkauf – wurde von Historikern schon bis 3000 v. Chr. nachgewiesen, als babylonische Händler ihre Forderungen aus Warenverkäufen abgetreten haben.
Der Begriff des Factors wurde in den USA geprägt. Vor allem europäische Textilfabrikanten verkauften ihre Waren in den USA Ende des 19. Jahrhunderts auf Kommissionsbasis und bedienten sich dabei der Kenntnisse des Marktes einheimischer Geschäftsleute. Diese einheimischen Unternehmer wurden als Factor bezeichnet. Neben der anfänglichen Funktion des Vertriebs der Waren übernahmen die Kommissionäre in der Folge auch eine Finanzierungsfunktion, indem sie die Waren vor dem eigentlichen Verkauf bezahlten. Ab dem Jahre 1890 wurden in den USA Zölle erhoben, um die eigenen Waren zu schützen. Diese Zölle in Höhe von 49,5 % stellten für die europäischen Produzenten eine hohe Markteintrittsbarriere dar. Somit musste sich auch der amerikanische Factor umorientieren. Amerikanische Textilfabrikanten kannten zwar den eigenen Markt, konnten aber von der Finanzkraft und speziellen Kenntnissen des Factors über Zahlungsfähigkeit der Kunden profitieren, indem sie die Warenforderungen an den Factor veräußerten. Vor allem die Finanzierungsfunktion gehört heute noch zu den wichtigsten Aufgaben des Factorings.
Das erste Factoring-Geschäft kam in Deutschland erst relativ spät zustande. Die verhaltene Entwicklung lässt sich zum Teil mit schwierigen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie den großen Unterschieden zwischen dem deutschen und internationalen Bankensystem erklären. Im Jahre 1958 führte die Mittelrheinische Kreditbank Dr. Hornbach & Co. KG das erste Factoring in Deutschland durch.
2.2 Ablauf des Factorings
Rz. 4
Das Grundprinzip der zahlreichen Ausgestaltungen des Factorings ist identisch. Durch die Lieferung von Waren bzw. durch das Erbringen von Dienstleistungen entstehen bei dem Unternehmen bis zur vereinbarten Bezahlung Forderungen. Diese Forderungen muss das Unternehmen zunächst vorfinanzieren. Durch einen Verkauf der Forderungen erhält das Unternehmen vor Fälligkeit der Forderungen gegenüber dem Schuldner die entsprechende Liquidität. Zwischen dem Forderungsverkäufer (auch Factor-Kunde genannt) und dem Forderungskäufer (auch Factor genannt) wird ein Rahmenvertrag über einen gewissen Zeitraum abgeschlossen, in dem die Zusammenarbeit geregelt wird. In diesem Rahmenvertrag verpflichtet sich der Factor-Kunde, sämtliche Forderungen oder einen näher bestimmten Teil der Forderungen, z. B. Forderungen eines bestimmten Debitorenkreises, an den Factor zu verkaufen. Der Factor hat wiederum die Pflicht, die Forderungen vom Factor-Kunden anzukaufen, vorausgesetzt, die Kreditwürdigkeitsbeurteilung des Schuldners ist positiv. Bei Fälligkeit der Forderungen erhält der Factor den entsprechenden Geldbetrag vom Schuldner des Zedenten.
Abb. 1: Struktur des Factorings
Rz. 5
Der Nachweis der Forderungen erfolgt in der Regel durch Übersendung der Rechnungskopie bzw. der entsprechenden elektronischen Daten an den Factor, der dann mit der Bonitätsprüfung beginnen kann. Die Factoring-Finanzierung wird in der Praxis über verschiedene Konten abgewickelt. In der Regel hat der Factoring-Kunde eine Art Kontokorrentkonto (Abrechnungskonto) beim Factor, auf dem die verkaufte Forderung gutgeschrieben wird. Für die Zeit von der Auszahlung des Kontos bzw. eines Teils bis zum Eingang der entsprechenden Forderung muss der Anschlusskunde Zinsen an den Factor zahlen. Ein bestimmter Teil der verkauften Forderung wird als Sicherheit einbehalten und auf einem Sperrkonto – als Unterkonto des Abrechnungskontos – beim Factor geführt. Dieser Einbehalt dient vor allem dazu, eventuelle Abzüge des Debitors (Skonto, Mängeleinreden) auszugleichen, und wird bei Eingang der Forderungen bzw. bei Eintritt des Delkrederefalls dem Factoring-Kunden wieder gutgeschrieben. Hierbei wird nur das Veritätsrisiko und nicht das Bonitätsrisiko durch den Einbehalt abgedeckt. Das Veritätsrisiko besteht darin, dass die abgetretene Forderung nicht bzw. nicht in der vereinbarten Höhe existiert. Für die Bonitätsprüfung und gegebenenfalls die Übernahme des Delkredererisikos bzw. für die Übernahme weiterer Dienstleistungen werden Gebühren verlangt.