Prof. Dr. Franceska Werth
Leitsatz
Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.
Normenkette
§ 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 8 Satz 1 ErbStG
Sachverhalt
Der Kläger, sein Vater (V) und sein Bruder (B) schlossen am 27.6.2006 einen notariell beurkundeten Vertrag über die Errichtung einer GmbH. Gegenstand des Unternehmens war der Erwerb, die Verwaltung, Nutzung und Verwertung eigenen Vermögens sowie die Beteiligung an anderen Unternehmen. Jeder Gesellschafter war zu einem Drittel am Gesellschaftsvermögen beteiligt. Das Stammkapital i. H. v. 27.000 EUR brachten die Gesellschafter durch Bareinlagen i. H. v. jeweils 9.000 EUR auf.
Im Zeitraum zwischen Juli 2006 und Januar 2010 erbrachte V mehrere Bar- und Sachleistungen an die GmbH, die als "Kapitalrücklage V" verbucht wurden. Auf diese Weise wurde der Kapitalrücklage der GmbH insgesamt ein Betrag i. H. v. 4,95 Mio. EUR zugeführt.
Mit notariellem Vertrag vom 15.11.2012 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, das Stammkapital von 27.000 EUR auf 554.500 EUR zu erhöhen. Zur Übernahme der neuen Geschäftsanteile i. H. v. jeweils 263.750 EUR wurden nur der Kläger und B zugelassen. Die Kapitalerhöhung erfolgte in der Weise, dass der Kläger und B im Wege der Sacheinlage Beteiligungen an anderen Gesellschaften in die GmbH einbrachten, die ihnen V mit notariellem Vertrag vom 24.10.2012 unentgeltlich übertragen hatte.
Infolge der Kapitalerhöhung verringerte sich die Beteiligung des V am Gesellschaftsvermögen der GmbH von 33,33 % auf 1,623084 % (9.000 EUR/554.500 EUR) und erhöhten sich die Beteiligungen des Klägers und die des B von jeweils 33,33 % auf 49,188458 % (272.750 EUR/554.500 EUR). Nach Durchführung der Kapitalerhöhung betrug der Anteil des V an der Kapitalrücklage 148.144,66 EUR und die Anteile des Klägers und des B jeweils 4.489.606,18 EUR.
Danach ergab sich für V eine Wertminderung in Bezug auf seine Beteiligung an der GmbH i. H. v. 1.063.061,26 EUR. Zum Ausgleich dieses Verlusts verpflichteten sich der Kläger und B im notariellen Vertrag vom 15.11.2012 zu lebenslangen Zahlungen an V i. H. v. monatlich 14.500 EUR. Bei Vorversterben des V sollten diese Zahlungen an seine Ehefrau, die Mutter des Klägers und des B erfolgen, allerdings nur i. H. v. 75 %.
Das FA sah den Wertverlust des V durch die Ausgleichsvereinbarung als nicht vollständig ausgeglichen an und erblickte darin eine gemischte Schenkung von V an den Kläger und B. Es war der Ansicht, die Kapitalrücklage der GmbH sei für Zwecke der Berechnung des Wertverlusts nicht jedem der Gesellschafter zu einem Drittel, sondern allein dem V zuzurechnen, und stellte daher dem Wert der Rücklage vor Kapitalerhöhung i. H. v. 3.566.239 EUR den Wert der Rücklage nach Kapitalerhöhung i. H. v. 125.685 EUR und den vereinbarten Wertausgleich von 1.063.061 EUR gegenüber. In Höhe des Differenzbetrags ging es von einer hälftigen Bereicherung des Klägers und des B i. H. v. jeweils 1.188.746 EUR aus und setzte mit Bescheid vom 23.5.2016 SchenkSt i. H. v. 156.768 EUR fest. Die Festsetzung setzte es im Einspruchsverfahren auf 151.125 EUR herab.
Das FG gab der hiergegen erhobenen Klage statt (FG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.6.2020, 7 K 2351/17, Haufe-Index 1418472.
Entscheidung
Der BFH hat der Revision des FA stattgegeben. Diese führte zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hatte zu Unrecht angenommen, dass der Forderungsverzicht des V im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung der GmbH nicht den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllte. Das FA hatte die SchenkSt der Höhe nach zutreffend festgesetzt.
Hinweis
1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Ob der Bedachte bereichert ist, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage. Als Bereicherung kommt dabei grundsätzlich jede Vermögensmehrung sowie jede Minderung von Schulden oder Belastungen beim Bedachten in Betracht. Auch ein Forderungsverzicht kann Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sein.
2. Im vorliegenden Fall wurden der Kläger und B nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bereichert, da V auf den ihm zustehenden Wertausgleich für seine Kapitalzuführung anlässlich der Kapitalerhöhung der GmbH verzichtet hat. Bei der Zuführung des Kapitals in das Vermögen der GmbH wurde vereinbart, dass die Kapitalrücklage V disquotal zu den Beteiligungsverhältnissen zugeordnet wird und er diesbezüglich einen Rückzahlungsanspruch hat.
3. Eine solche Vereinbarung über eine disquotale Zurechnung d...