Leitsatz
1. Nimmt eine GmbH im laufenden Jahr eine natürliche Person als atypisch stillen Gesellschafter auf, so ist der für Einzelunternehmen und Personengesellschaften geltende Freibetrag von 24.500 € in dem an die GmbH als Geschäftsherrn zu adressierenden, die GmbH & atypisch Still betreffenden Gewerbesteuermessbescheid zu berücksichtigen.
2. Der GmbH selbst steht der Freibetrag nicht zu; der aufgrund des von ihr vor der Aufnahme des stillen Gesellschafters erzielten Gewinns ermittelte Gewerbeertrag ist daher nicht zu kürzen.
Normenkette
§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG
Sachverhalt
Die Klägerin ist eine 2008 gegründete GmbH, deren Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht. Durch Gesellschafterbeschluss wurde ein stiller Gesellschafter aufgenommen, der ab dem 18.12.2015 sowohl am Ergebnis als auch am Vermögen und dem Geschäftswert der Klägerin beteiligt werden sollte. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass vom 18.12.2015 an eine Mitunternehmerschaft besteht.
Für 2015 ermittelte die Klägerin einen Gewerbeertrag in Höhe von 34.800 EUR, den sie um den Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG kürzte.
Das FA setzte den Gewerbesteuermessbetrag 2015 für die Klägerin unter der Steuernummer ...20 fest, wobei es für die Zeit vom 1.1.2015 bis zum 17.12.2015 nur 351/365stel des für das gesamte Jahr 2015 ermittelten Gewinns ansetzte und den Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG versagte.
Einen weiteren – nicht streitbefangenen – Bescheid, in dem der Gewinn zeitanteilig ab dem 18.12.2015 berücksichtigt und der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG gewährt wurde, richtete das FA unter der Steuernummer ...03 an die Klägerin "als Inhaberin des Handelsgewerbes mit einem oder mehreren still beteiligten Gesellschaftern".
Das FG wies die Klage als unbegründet ab (FG Münster, Urteil vom 18.10.2018, 10 K 4079/16 G, Haufe-Index 12466837, EFG 2019, 127 mit Anm. Hennigfeld). Es entschied, einer GmbH, die im laufenden Jahr eine natürliche Person als atypisch stillen Gesellschafter aufnehme, sei der für Personengesellschaften geltende Freibetrag von 24.500 EUR für Zeiträume vor dessen Aufnahme nicht zu gewähren.
Entscheidung
Der BFH wies die Revision der Klägerin als unbegründet zurück, weil der Freibetrag gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG einer GmbH niemals zusteht.
Hinweis
Nach Entstehung einer GmbH & atypisch Still ist zwischen der GmbH und der Mitunternehmerschaft zu unterscheiden.
1. Die Tätigkeit einer GmbH gilt stets und in vollem Umfang als Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG) und unterliegt daher der Gewerbesteuer. Da sie eine Kapitalgesellschaft ist, wird ihr Gewerbeertrag nicht um den Freibetrag für natürliche Personen und Personengesellschaften gekürzt (§ 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG).
2. Entsteht durch die Aufnahme eines atypisch stillen Gesellschafters eine Mitunternehmerschaft, so sind Geschäftsinhaber und stille Gesellschafter als Mitunternehmer sachlich gewerbesteuerpflichtig. Der – unabhängig von einer fehlenden dinglichen Beteiligung des Stillen am Gesellschaftsvermögen – gemeinschaftlich geführte Betrieb bildet einen selbstständigen Steuergegenstand neben dem (gewerbesteuerlich fortbestehenden) Gewerbebetrieb der GmbH.
Für beide Gewerbebetriebe hat die GmbH als Inhaberin des Unternehmens eigenständige Gewerbesteuererklärungen abzugeben.
3. Einer GmbH & atypisch Still ist der Freibetrag nach § 11 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 GewStG zu gewähren, obwohl der gesetzgeberische Grund des Freibetrages, die fehlende Abziehbarkeit der an Gesellschafter-Geschäftsführer gezahlten Vergütungen, bei ihr nicht zutrifft.
Bei unterjähriger Begründung einer Mitunternehmerschaft ist der Gewerbeertrag um den vollen und nicht bloß um einen zeitanteiligen Freibetrag zu kürzen. Wenn der bis zum Jahresende erzielte Gewinn den Freibetrag nicht erreicht, bleibt dieser im Jahr der Begründung der stillen Gesellschaft teilweise wirkungslos.
4. Von der sachlichen Steuerpflicht der atypisch stillen Gesellschaft ist die persönliche Steuerpflicht zu unterscheiden. Als Innengesellschaft kann die GmbH & atypisch Still nicht Beteiligte in einem Verfahren wegen Gewerbesteuer sein. Die für sie ermittelten Besteuerungsmerkmale sind deshalb in einem gegen den Geschäftsherrn – die GmbH – als Steuerschuldner gerichteten Gewerbesteuermessbescheid zu erfassen.
Die GmbH erhält also zwei Messbescheide: Neben dem auf die stille Gesellschaft bezogenen einen weiteren für sie selbst, in dem der Gewerbeertrag um den Anteil am Gewinn der atypisch stillen Gesellschaft zu kürzen ist (§ 9 Nr. 2 GewStG). Das FA hatte den Gewinn im Streitfall wegen der unterjährigen Begründung der Mitunternehmerschaft nur zeitanteilig bis zum Eintritt des Stillen erfasst, was zum selben Ergebnis führt. Besteht eine stille Gesellschaft ganzjährig, ergibt sich für die GmbH regelmäßig ein Nullbescheid.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 15.07.2020 ‐ III R 68/18