Rz. 7
Die Regelung des § 10d EStG ist bis Vz 1998 verfassungsgemäß. Sie verstößt nicht gegen Art. 3 GG, der Ausfluss der Steuergerechtigkeit und damit des Prinzips der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ist. Es besteht weder ein grundrechtlich geschützter Anspruch auf den Verlustabzug noch ein Vertrauensschutz für den Fortbestand der Regelung. Die Regelung bewirkt durch den unbegrenzten Verlustvortrag eine Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dies gilt auch für die Neuregelung ab Vz 2004, da selbst der eingeschränkte Verlustvortrag im Regelfall zu einem Verbrauch der Verluste führen wird.
Rz. 7a
§ 10d EStG i. d. F. für die Vz 1999–2003 ist wegen der Verknüpfung mit § 2 Abs. 3 a. F. EStG verfassungswidrig. Der BFH ist dieser Auffassung wegen eines Verstoßes gegen das Nettoprinzip hinsichtlich "unechter" Verluste aus § 21 EStG, die auch durch nach dem FördGG begünstigte Investitionen entstanden sind, zunächst nicht gefolgt, hat aber später bei "echten" Verlusten ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit bejaht, soweit wegen der Mindestbesteuerung eine Steuer auch dann festzusetzen ist, wenn dem Stpfl. von seinem im Vz Erworbenen nicht einmal das Existenzminimum verbleibt.
Rz. 7b
Schließlich hat der BFH das BVerfG angerufen, weil er die Mindestbesteuerung nach § 2 Abs. 3 S. 2–8 a. F. EStG, § 10d Abs. 1 S. 2–4, S. 5 Halbs. 2 EStG, soweit auf S. 2–4 verweisend, und Abs. 3 für verfassungswidrig und nichtig hielt. Begründet wurde die Vorlage mit einem Verstoß gegen das rechtsstaatliche Gebot der Normenklarheit, da die betroffenen Vorschriften sprachlich unverständlich, irreführend, unsystematisch aufgebaut und damit in höchstem Maße fehleranfällig seien.
Rz. 7c
Das BVerfG hat die Vorlage als unzulässig verworfen, weil der BFH sich nicht ausreichend mit den in Rechtsprechung und Literatur entwickelten Auffassungen auseinandergesetzt habe. Bemängelt wurde insbesondere die fehlende Begründung dafür, dass die dargelegten Auslegungsmöglichkeiten den Rahmen der Aufgabe der Rechtsanwendungsorgane, Zweifelsfragen zu klären und Auslegungsprobleme mit herkömmlichen Mitteln juristischer Methode zu bewältigen, sprengen würde.
Rz. 7d
Die Mindestbesteuerung ab Vz 2004 ist dem Grunde nach verfassungsrechtlich unbedenklich. Der BFH hat nur dann Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit geäußert (Rz. 4, 56), wenn eine Verlustverrechnung in späteren Vz aus rechtlichen Gründen (hier: nach § 8c KStG 2002) endgültig ausgeschlossen ist. Mit Urteil v. 22.8.2012 hat der BFH aber die Grundkonzeption einer zeitlichen Streckung des Verlustvortrags als verfassungskonform angesehen. Es ist ausreichend, wenn die Verluste überhaupt, wenn auch in einem anderen Vz berücksichtigt werden. Ausdrücklich offengelassen hat der BFH, ob dies auch gilt, wenn im Einzelfall der Verlustabzug gänzlich ausgeschlossen wird, da eine solche Situation im Streitfall nicht vorlag. In einer weiteren Vorlage an das BVerfG hat der BFH die Frage gestellt, ob die Mindestbesteuerung verfassungswidrig ist, wenn sie nach Anwendung des § 10d Abs. 1 S. 1 EStG wegen Insolvenz einer GmbH dazu führt, dass ein Teil der Verlust sich endgültig nicht auswirkt.
Eine vorläufige Veranlagung nach § 165 AO im Hinblick auf eine behauptete Verfassungswidrigkeit der Norm ist unzulässig.
Für die GewSt hat der BFH die Verfassungsmäßigkeit der Mindestbesteuerung des § 10a GewStG auch dann bejaht, wenn es wegen der Begrenzung des Verlustvortrags zu einem endgültigen, nicht mehr verrechenbaren Verlust kommt.
Rz. 7e
Gegen eine Einschränkung des Verlustabzugs selbst, also der Höhe nach, hat der BFH keine Bedenken.