Prof. Dr. Alexander Kratzsch
Rz. 88
Aus dem Wortsinn des Merkmals Zuwendungen wird gefolgert, eine Zuwendung setze eine unentgeltliche oder nahezu unentgeltliche Vermögensübertragung voraus. Eine Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG liegt daher – außer bei einer Vermögensübertragung gegen Versorgungsleistungen (Rz. 92f.) – nicht vor, wenn die Leistung wirtschaftlich durch eine Gegenleistung ausgeglichen wird; das Abzugsverbot greift dann nicht ein (Rz. 90). Dies gilt für alle drei Alternativen des § 12 Nr. 2 EStG.
4.2.1.3.1 Fehlende Gegenleistung
Rz. 89
Ist im Zusammenhang mit der Leistung des Stpfl. keine oder keine nennenswerte Gegenleistung des Zuwendungsempfängers feststellbar, greift § 12 Nr. 2 EStG mit der Folge der Nichtabziehbarkeit der Zuwendungen ein (Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG, d. h. nicht abziehbare unentgeltliche Unterhaltsleistung; z. B. Zuwendungs- oder Unterhaltsrente).
4.2.1.3.2 Vollwertige Gegenleistung
Rz. 90
Steht der Leistung des Stpfl. eine ihr wirtschaftlich entsprechende Gegenleistung (z. B. Übertragung von Geldvermögen) gegenüber, greift das Abzugsverbot des § 12 Nr. 2 EStG nicht ein, sodass die Rente oder dauernde Last, je nachdem, wodurch sie veranlasst ist, als Betriebsausgabe oder Werbungskosten abziehbar ist. Dies ist der Fall, wenn Leistung und Gegenleistung wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind (entgeltliche Leistung). Die Vertragsparteien müssen also Leistung und Gegenleistung
- wie unter fremden Dritten nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen und
- (auch) subjektiv angenommen haben, dass die Leistungen im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in etwa wertgleich sind.
Es liegt dann keine Zuwendung i. S. v. § 12 Nr. 2 EStG, sondern eine entgeltliche Vermögensumschichtung (Veräußerungsleistung) vor, die zu Anschaffungskosten bzw. einem Veräußerungsentgelt in Höhe der in den zeitlich gestreckten Zahlungen enthaltenen Tilgung und einem Entgelt für die Kapitalüberlassung (Zinsanteil) führt. Dies gilt auch bei solchen Vermögensübertragungen unter Angehörigen, bei denen (ausnahmsweise) die gegenseitigen Leistungen kauf- oder darlehensähnlich nach kaufmännischen Gesichtspunkten gegeneinander abgewogen sind. Ein Abzug als Sonderausgaben scheidet dann aus, da es wegen der erhaltenen Gegenleistung wirtschaftlich an einer Belastung fehlt. Ein Sonderausgabenabzug kommt nur bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Versorgungsleistung in Betracht.
4.2.1.3.3 Nicht vollwertige Gegenleistung
Rz. 91
Stehen die Leistungen des Stpfl. (Rente oder dauernde Last) zwar in wirtschaftlichem Zusammenhang mit einer Gegenleistung des Empfängers, stellt diese Gegenleistung aber kein vollwertiges Äquivalent der Leistung des Stpfl. dar, handelt es sich grundsätzlich um einen teilentgeltlichen Vorgang (gemischte Schenkung). Ist der Barwert der wiederkehrenden Leistungen höher als der Wert des übertragenen Vermögens, ist Entgeltlichkeit in Höhe eines angemessenen Kaufpreises anzunehmen. Der übersteigende Betrag ist dann eine Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG. Ist der Barwert mehr als doppelt so hoch wie der Wert des übertragenen Vermögens, ist insgesamt von einer Zuwendung i. S. d. § 12 Nr. 2 EStG (sog. Unterhaltsleistungen) auszugehen.