Rz. 386
Die Gesellschafter einer GbR haften grundsätzlich persönlich und unbeschränkt für Schulden der Gesellschaft. Im Allgemeinen stehen daher dem Gläubiger einer GbR für seine Ansprüche 2 unterschiedliche Haftungsmassen zur Verfügung: zum einen das Gesellschaftsvermögen, zum anderen das Privatvermögen jedes Gesellschafters (§ 721 BGB ab 1.1.2024). Das vorbehaltlose Einstehenmüssen für Verbindlichkeiten der GbR (typisches Mitunternehmerrisiko) spricht zwar regelmäßig für das Bestehen einer ertragsteuerlichen Mitunternehmerschaft, ebenso regelmäßig aber auch für das Fehlen der Grundvoraussetzung des § 15a EStG, der Haftungsbegrenzung.
8.3.1 Vergleichbarkeit in der Haftung
Rz. 387
Eine "sinngemäße Geltung" des § 15a EStG kann deshalb nur zum Zug kommen, wenn die normalen Rechtsfolgen des Zivilrechts ausgeschlossen sind. Der Gesetzestext grenzt hier mit der Formulierung ab, "… soweit die Inanspruchnahme des Gesellschafters für Schulden … durch Vertrag ausgeschlossen oder nach Art und Weise des Geschäftsbetriebs unwahrscheinlich ist".
Rz. 388
Im Zivilrecht war früher anerkannt – und das hat der Gesetzgeber bei seinen Beratungen über § 15a EStG einbezogen –, dass die Haftung des Gesellschafters einer GbR auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt werden kann. Das sollte möglich sein sowohl durch Einzelvereinbarung mit den Gläubigern als auch durch entsprechende Regelung im Gesellschaftsvertrag mit Außenwirkung. Dadurch war tatsächlich eine Haftungseinschränkung erreichbar, die der eines Kommanditisten entspricht, der seine Hafteinlage geleistet hat. Laut BGH kann die unbeschränkte Haftung allerdings nur durch eine Einzelvereinbarung mit jedem Geschäftspartner ausgeschlossen werden. Des Weiteren haben Gesellschafter einer GbR auch für gesetzlich begründete Verbindlichkeiten einzustehen.
8.3.2 Ausschluss oder Unwahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme
Rz. 389
Mit der Gesetzeseinschränkung "… soweit die Inanspruchnahme … ausgeschlossen oder … unwahrscheinlich ist" wird zurückgegriffen auf § 15a Abs. 1 S. 3 EStG (Rz. 237). Obwohl der Wortlaut nicht völlig übereinstimmt, ist eine unterschiedliche Auslegung kaum denkbar. Es macht keinen Unterschied, ob "… eine Vermögensminderung aufgrund der Haftung durch Vertrag ausgeschlossen …" (§ 15a Abs. 1 S. 3 EStG) oder "… die Inanspruchnahme für Schulden im Zusammenhang mit dem Betrieb durch Vertrag ausgeschlossen …" (§ 15a Abs. 5 Nr. 2 EStG) ist.
Rz. 390
Beim zweiten Merkmal der "Unwahrscheinlichkeit" stimmen die Gesetzestexte wörtlich überein, sodass auch eine übereinstimmende Auslegung in Betracht zu ziehen ist. In diesem Punkt hat der BFH jedoch mehrfach darauf verwiesen, dass unterschiedliche Lebenssachverhalte geregelt sind, insbesondere Grundsatz und Ausnahme konträr liegen. Während in § 15a Abs. 1 EStG die beschränkte Haftung die Regel und die unbeschränkte die Ausnahme bildet, liegen in § 15a Abs. 5 Nr. 2 EStG die Verhältnisse genau umgekehrt. Aus diesem Grund sei dem steuerverschärfenden Charakter des § 15a Abs. 5 Nr. 2 EStG dadurch Rechnung zu tragen, dass der unbestimmte Rechtsbegriff "Unwahrscheinlichkeit" nicht über den Wortlaut hinaus auszulegen ist. Bei Prüfung der Unwahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme müsse daher ein vorsichtiger Maßstab angelegt werden. Zudem sei nicht nur auf die Verhältnisse zum Ende des jeweiligen Feststellungszeitraums abzustellen, sondern vielmehr auch deren künftige Entwicklung einzubeziehen.
Rz. 391
Wegen der Unbestimmtheit des Begriffs "Unwahrscheinlichkeit" und der im Einzelfall sehr unterschiedlichen Sachverhaltsvoraussetzungen wird eine korrekte Abgrenzung immer Schwierigkeiten bereiten.