Rz. 6
Die Regelung ist nach überwiegender Auffassung verfassungsgemäß. Sie beinhaltet keine verfassungswidrige Rückwirkung, keine Unbestimmtheit der Norm sowie keinen Verstoß gegen das objektive Nettoprinzip.
1.5.1 Rückwirkung
Rz. 7
§ 15b EStG ist nur auf Verluste der dort bezeichneten Steuerstundungsmodelle anzuwenden, denen der Stpfl. nach dem 10.11.2005 beigetreten ist oder für die nach dem 10.11.2005 mit dem Außenvertrieb begonnen worden ist (§ 52 Abs. 25 S. 1 EStG). Der Außenvertrieb beginnt in dem Zeitpunkt, in dem die Voraussetzungen für die Veräußerung der konkret bestimmbaren Fondsanteile erfüllt sind und die Gesellschaft selbst oder über ein Vertriebsunternehmen mit Außenwirkung an den Markt herangetreten ist. Dem Beginn des Außenvertriebs stehen der Beschluss von Kapitalerhöhungen und die Reinvestition von Erlösen in neue Projekte gleich (§ 52 Abs. 25 S. 3, 4 EStG).
Das Gesetz ist am 30.12.2005 im BGBl veröffentlicht worden.
Eine verfassungsrechtliche unzulässige Rückwirkung liegt gleichwohl nicht vor. Das Gesetz greift zwar verschärfend ein, wenn Fonds vor diesem Datum konzipiert worden sind und mit dem Außenbetrieb begonnen haben, aber bis zum Stichtag noch nicht alle erforderlichen Gesellschafter geworben haben. Hier werden neue Gesellschafter sicher nicht mehr beitreten, sodass die Gefahr besteht, dass dieser Fonds rückabzuwickeln ist und bereits beigetretene Anleger Geld verlieren werden, wenn sie von ihrem Kündigungsrecht Gebrauch machen. Insoweit kann sich aber kein verfassungsrechtlich geschütztes Vertrauen entwickelt haben.
Die Rspr. des BVerfG unterscheidet zwischen echter (Rückwirkung von Rechtsfolgen) und unechter (tatbestandliche Rückanknüpfung) Rückwirkung. Eine unzulässige echte Rückwirkung ist nur gegeben, wenn ein Gesetz nachträglich in einen bereits abgeschlossenen Sachverhalt eingreift, z. B. eine Gesetzesänderung in 2006 mit steuerlichen Auswirkungen in 2005. Dies ist im Fall des § 15b EStG erkennbar nicht gegeben.
Rz. 8
Wirkt das Gesetz aber auf einen noch nicht abgeschlossenen Sachverhalt für die Zukunft, liegt lediglich eine unechte Rückwirkung vor. Dies gilt auch, wenn das verschärfende Gesetz erst im Lauf des Vz beschlossen wird, aber bereits für den gesamten Vz gilt. Vertrauensschutz entfällt aber grundsätzlich erst mit dem Gesetzesbeschluss. Das BVerfG hat mit der Entscheidung v. 3.12.1997 im Fall des rückwirkenden Wegfalls von Schiffsbausubventionen (§ 82f EStDV), festgestellt, dass sich der mit rechtsstaatlichen Gesetzgebungsverfahren verbundene Zeitbedarf nicht zulasten des Staates auswirken dürfe, wenn Dispositionen der Gesetzesadressaten die Neuregelung kurz vor ihrem Erlass durch Ausnutzung der bisherigen Regelung unterlaufen würden. Im Übrigen ist bereits am 4.5.2005 ein gleich lautender Kabinettsbeschluss veröffentlicht worden, sodass potenzielle Anleger schon seit langem mit entsprechenden Einschränkungen rechnen mussten und sich schutzwürdiges Vertrauen nicht bilden konnte. Entsprechendes gilt für § 52 Abs. 37d EStG a. F., wonach § 15b EStG auf alle Kapitaleinkünfte erstreckt worden ist (§ 20 Abs. 7 EStG n. F.).
1.5.2 Unbestimmtheit der Norm
Rz. 9
Bereits bei § 2b EStG (aufgehoben) ist gerügt worden, dass die überwiegend aus unbestimmten Tatbestandsmerkmalen wie "ähnliche Modelle", "im Vordergrund stehen", "Rendite nach dem Betriebskonzept", "Inaussichtstellen von Steuerminderungen" u. a. bestehende Norm gegen das Rechtsstaatsprinzip verstoße und damit verfassungswidrig sei. Entsprechendes gilt für § 15b EStG. Das Gebot der Bestimmtheit einer Norm erfordert, dass steuerbegründende Tatbestände so bestimmt sein müssen, dass der Stpfl. die auf ihn entfallende Steuerlast vorausberechnen kann. Der Gesetzgeber ist gehalten, seine Vorschriften so bestimmt zu fassen, wie dies nach der Eigenart der zu ordnenden Lebenssachverhalte mit Rücksicht auf den Normzweck möglich ist.
Die Verwendung unbestimmter Rechtsbegriffe verstößt aber nicht ohne Weiteres gegen das Bestimmtheitsgebot. Insbesondere bei vielgestalteten Sachverhalten ist eine solche Regelungstechnik grundsätzlich unbedenklich, we...