Joachim Moritz, Dr. Joachim Strohm
Rz. 41
Die deutlichste Ungleichbehandlung, die die Einführung der Abgeltungsteuer mit sich bringt, ist der proportionale Sondertarif für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG i. H. v. lediglich 25 % (§ 32d Abs. 1 S. 1 EStG), während die Einkünfte der anderen Einkunftsarten wie bisher dem allgemeinen Progressivtarif nach § 32a Abs. 1 EStG i. H. v. bis zu 45 % unterliegen.
Rz. 42
U. E. ist der in der Einführung des Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 S. 1 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG liegende Verstoß gegen den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerechtfertigt. Zunächst ermöglicht die Tarifsenkung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eine Gleichbehandlung der unterschiedlichen Kapitalanlagen und stellt auf diese Weise intersektorale Neutralität (Investitionsneutralität) bei der KapESt-Besteuerung her. Weiterhin verbessert der Sondertarif i. H. v. 25 % die intertemporale Neutralität (Verwendungsneutralität) der ESt und schwächt die Doppelbelastung sowohl des Erwerbs als auch der Erträge des Einkommens und die damit zusammenhängende Benachteiligung des Zukunftskonsums gegenüber dem Sofortkonsum ab. Daneben erlaubt die Senkung des Steuertarifs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eine erhebliche Vereinfachung des materiellen Steuerrechts, da sie dem Gesetzgeber die Einbeziehung aller Erträge und aller Wertsteigerungen des privaten Kapitalvermögens in die Besteuerung gestattet und auf diese Weise eine zutreffende Einordnung der einzelnen Kapitalanlagen entbehrlich macht. Auch im Verfahrensrecht bringt die Einführung des Sondertarifs i. H. v. 25 % deutliche Vereinfachungen, da die Finanzbehörden anstelle eines komplexen Progressivtarifs nunmehr einen einfachen Proportionaltarif zu vollziehen haben, und sich die Anzahl der KapESt-Tarife für die Kreditinstitute von bisher 9 auf nunmehr 2 verringert. Da die Tarifsenkung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen eine Gleichbehandlung der verschiedenen Formen des Sparens erlaubt, verbessert sie auch die rechtliche Belastungsgleichheit bei der Besteuerung privater Kapitalanlagen. Daneben leistet der Sondertarif i. H. v. 25 % auch einen Beitrag zur Verringerung des Vollzugsdefizits bei der KapESt-Besteuerung, da die Niedrigbesteuerung der Kapitaleinkünfte i. V. m. den Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung die Akzeptanz der Stpfl. für die Besteuerung privater Kapitalanlagen jedenfalls mittelfristig erhöhen wird und die Stpfl. eher bereit sein werden, ihre Kapitalerträge in der Steuererklärung anzugeben, falls diese nicht ohnehin dem erweiterten Steuerabzug vom Kapitalertrag unterliegen. Schließlich verbessert die Senkung des Steuertarifs bei den Einkünften aus Kapitalvermögen die Attraktivität der Kapitalanlage in Deutschland, schwächt die Abwanderung von Kapitalvermögen ins Ausland ab, bietet einen Anreiz zur Rückführung von im Ausland befindlichen Kapitalvermögen und leistet auf diese Weise einen Beitrag zur Förderung des Kapitalstandorts Deutschland. Nicht rechtfertigen lässt sich der Sondertarif i. H. v. 25 % dagegen als Typisierung des Normaltarifs i. H. v. bis zu 45 % und als Maßnahme typisierender Inflationsbereinigung, da der besondere Proportionaltarif für die Einkünfte aus Kapitalvermögen nicht als realitätsgerechte Abbildung der durchschnittlichen Steuerbelastung aller Bezieher von privaten Kapitaleinkünften angesehen werden kann und eine typisierende Steuerfreistellung inflationärer Scheinerträge durch einen niedrigen Steuertarif aufgrund der Vielzahl der zu berücksichtigenden Faktoren kaum möglich ist. Insgesamt betrachtet ist der Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 S. 1 EStG für die Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. d. § 20 EStG aber gerechtfertigt. Dies entspricht auch der neueren Rspr. des BFH.