Rz. 76
Die Wahl der Zusammenveranlagung setzt die übereinstimmende Ausübung des Wahlrechts durch die Ehegatten voraus. Die einseitige Wahl der Einzelveranlagung kann allerdings rechtsmissbräuchlich und daher unwirksam sein (Rz. 73).
Rz. 77
Eine steuerrechtliche Pflicht, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, besteht nicht; die Zustimmung ist daher vom FA nicht erzwingbar. Auszugehen ist zudem von dem Grundsatz, dass ein Ehegatte die Zustimmung zur Zusammenveranlagung nicht verlangen kann, wenn der andere dadurch einer zusätzlichen steuerlichen Belastung ausgesetzt wird. Letzteres bedarf aber der Einschränkung dahin, dass es sich um eine Belastung handeln muss, die der andere nach den gegebenen Umständen im Innenverhältnis nicht tragen muss, denn nur dann werden seine berechtigten eigenen Interessen verletzt. Die Ehegatten können jedoch – auch noch im Trennungsjahr – zivilrechtlich verpflichtet sein, der Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn ein Ehegatte sie fordert. Nach der Rspr. des BGH sind Ehegatten während der Ehe und aus fortwirkenden Pflichten auch nach der Trennung (im Trennungsjahr bis zum 31.12.) verpflichtet, dem Begehren des anderen Ehegatten auf Zusammenveranlagung zuzustimmen, wenn der zustimmende Ehepartner im Gegenzug von finanziellen Ansprüchen freigesellt wird. Denn die Partner sind aus nachehelicher Verpflichtung gehalten, die finanziellen Folgen der Trennung durch Inanspruchnahme von Steuervorteilen möglichst gering zu halten. Die Zusammenveranlagung ist nur im steuerrechtlich definierten Trennungsjahr zulässig! Zuständig ist das Familiengericht. Bei verweigerter Zustimmung zur Wahl der Einzelveranlagung in den Fällen, in denen sich dies günstiger auswirkt, gilt Entsprechendes. Die Verpflichtung zur Zustimmung besteht auch dann, wenn es zweifelhaft ist, ob dem Ehegatten überhaupt noch eine Wahlmöglichkeit zusteht. Denn für diese Entscheidung sind FA bzw. FG, nicht die Zivilgerichte zuständig.
Rz. 78
Zweifelhaft ist allerdings, ob das bloße Versprechen, den anderen Ehegatten von einem Steuermehrbetrag zu entlasten, ausreicht oder ob der zustimmende Ehegatte nicht eine Sicherheit verlangen kann, damit er nicht später u. U. selbst einen höheren Steuerbetrag schuldet, ohne den Ausgleichsanspruch wegen Insolvenz des anderen Ehegatten realisieren zu können. Die Problematik lässt sich nicht anders als bei den Fragen des Realsplittings lösen (§ 10 EStG Rz. 170ff.). In der Praxis wird die Klage auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung regelmäßig zu spät kommen, da das FA die Veranlagung nicht aussetzt, bis u. U. nach Jahren eine Entscheidung vor den Familiengerichten errungen ist. Dem die Zustimmung begehrenden Ehegatten steht dann Schadensersatz in Höhe des entgangenen Steuervorteils zu.
Rz. 79
Nach Bestandskraft bzw. nach Abschluss von Änderungsveranlagungen, Einspruchsverfahren oder finanzgerichtlichen Verfahren kann die Veranlagungsart nicht mehr gewählt werden ; deshalb scheidet auch eine Änderung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO aus. Die Möglichkeit, die einmal gewählte Veranlagungsart beliebig oft ändern zu können, sollte zunächst gänzlich abgeschafft werden. Nach dem Entwurf der Bundesregierung zum Steuervereinfachungsgesetz 2011 sollte die Wahl einer Veranlagungsart innerhalb eines Vz bindend sein und entsprechende Nachteile über eine Tarifminderung nach § 32e EStG-E aufgefangen werden. Auf Vorschlag des Bundesrats wurde die Wahlmöglichkeit unter bestimmten Voraussetzungen wieder zugelassen, um eine Schlechterstellung von Ehegatten im Vergleich zu 2 unverheirateten Personen auszuschließen; die Einführung von § 32e EStG entfiel im Gegenzug (zur Rechtslage ab Vz 2013 Rz. 85).