1 Allgemeines
Rz. 1
Neben der Vorschrift des § 3 Nr. 11 EStG befreit § 3 Nr. 44 EStG Stipendien zur Förderung der Forschung oder zur Förderung der wissenschaftlichen oder künstlerischen Ausbildung oder Fortbildung unter bestimmten Voraussetzungen von der Steuerpflicht. Unter einem Stipendium ist eine laufende Studienbeihilfe in Geld an Studierende zu verstehen, die einen nicht unwesentlichen Teil des Bedarfs deckt. Es kann sich um die Deckung des Sachbedarfs oder des Lebensunterhalts handeln. Stipendien werden Studenten, Doktoranden und Wissenschaftlern für das Studium, die Promotion, die Habilitation sowie für bestimmte Forschungsprogramme gewährt. "Druck-Beihilfen", die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft für die erstmalige Veröffentlichung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse gewährt werden, sind ihrem Wesen nach keine steuerbefreiten Stipendien, sondern Zuschüsse, die ganz oder teilweise zurückzuzahlen sind. Die Vorschrift des § 3 Nr. 44 EStG ist teils enger gefasst als die des § 3 Nr. 11 EStG, teils reicht sie jedoch weiter. Anzuwenden ist die weitergehende Vorschrift.
2 Stipendiengeber
Rz. 2
Es sind nur die Stipendien steuerfrei, die
- aus öffentlichen Mitteln (§ 3 Nr. 11 EStG Rz. 3 bis 11) oder
- von zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Einrichtungen, denen als Mitglied auch die Bundesrepublik Deutschland angehört, oder
- von einer Einrichtung, die von einer Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet ist oder verwaltet wird, oder
- von einer Körperschaft, Personenvereinigung oder Vermögensmasse i. S. v. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG (§ 3 Nr. 26 EStG Rz. 31; z. B. Friedrich-Ebert-Stiftung oder Fritz-Thyssen-Stiftung)
vergeben werden. Die Steuerfreiheit gilt nicht nur bei inländischen gemeinnützigen Stipendiengebern, sondern auch bei gemeinnützigen EU-/EWR-Institutionen (R 3.44 S. 3 EStR 2012). Für von Stipendiengebern außerhalb der EU/EWR gewährte Stipendien gilt die Steuerfreiheit nicht. Die Gemeinnützigkeit eines nicht im Inland ansässigen Stipendiengebers ist für das FA nicht ohne Weiteres erkennbar und muss vom Stipendienempfänger (z. B. durch Vorlage von Satzung und Geschäftsbericht) belegt werden.
Rz. 3
Die Stipendien sind bis 2010 nur steuerfrei, soweit sie der Empfänger unmittelbar von den genannten Gebern erhält. Stipendien, die der Empfänger weitergibt, sind folglich nur bei diesem, nicht bei dem, der die Weitergabe erhält, steuerfrei, es sei denn, der Empfänger, der die Stipendien weitergibt, gehört selbst zu den in § 3 Nr. 44 EStG genannten Gebern (Rz. 2). Stipendien, die der Stipendiat z. B. an seine Mitarbeiter weitergibt, sind folglich bei den Mitarbeitern nicht nach § 3 Nr. 44 EStG steuerfrei. Ist das Stipendium jedoch nicht für den unmittelbaren Zahlungsempfänger bestimmt, sondern wird es lediglich über das Unternehmen, bei dem die Forschungsaufgabe erbracht wird, an den eigentlichen Stipendienempfänger ausgezahlt, ist § 3 Nr. 44 EStG anwendbar. Ab 2011 sind auch Stipendien, die nur mittelbar dem privilegierten Zweck zugutekommen, steuerfrei. Auf den Zahlungsweg kommt es damit nicht mehr an, sofern auch die in Rz. 4 bis 6 beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind.
3 Richtlinien des Stipendiengebers
Rz. 4
Die Stipendien sind nur steuerfrei, wenn die in § 3 Nr. 44 S. 3 Buchst. a und b EStG aufgeführten Voraussetzungen erfüllt sind.
Nach Buchst. a müssen die Stipendien nach Richtlinien des Gebers (d. h. von ihm festgelegten allgemein gültigen Grundsätzen) vergeben werden. Wie diese zu gestalten sind, wird nicht bestimmt. Sie müssen jedoch vorliegen und angewandt werden. Damit soll eine vom Einzelfall losgelöste einheitliche Vergabepraxis erreicht werden. Sie sind daher nicht steuerfrei, wenn es keine vom Stipendiengeber erlassenen Richtlinien gibt. Die Steuerfreiheit greift ebenfalls nicht, wenn ein Stipendium abweichend von den Richtlinien gewährt wird.
Ferner ist Voraussetzung, dass die Stipendien nicht den Betrag übersteigen, der für die Erfüllung der Forschungsaufgabe oder zur Bestreitung des Lebensunterhalts oder des Ausbildungsbedarfs notwendig ist. Da die Vergabe der Mittel den genannten Richtlinien entsprechen muss, müssen die Richtlinien diesen Rahmen abstecken. Was als erforderlich anzusehen ist, ist gesetzlich nicht festgelegt. Die Höchstgrenzen müssen sich daher nach dem Sachaufwand richten, den die Forschungsaufgaben oder die Ausbildung mit sich bringen...