Rz. 1
§ 3 Nr. 8a EStG regelt mit einer sprachlich nicht ganz geglückten Formulierung die Steuerfreiheit für Sozialversicherungsrenten an Empfänger, die aufgrund von nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen als Verfolgte nach § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt sind.
Rz. 2
Begünstigt sind zum einen Altersrenten und Erwerbsminderungsrenten, die unmittelbar an Verfolgte gezahlt werden (Rz. 3 – 6), und zum anderen Renten, die aus Anlass des Todes eines Verfolgten zugunsten von dessen Hinterbliebenen gewährt werden (Rz. 7).
Rz. 3
Wer Verfolgter ist, bestimmt sich nach § 1 BEG. Danach ist Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung, wer aus Gründen politischer Gegnerschaft gegen den Nationalsozialismus oder aus Gründen der Rasse, des Glaubens oder der Weltanschauung durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen verfolgt worden ist und hierdurch Schaden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, in seinem beruflichen oder in seinem wirtschaftlichen Fortkommen erlitten hat (§ 1 Abs. 1 BEG). Gleichgestellt sind Personen, die sich aus Gewissensgründen aktiv gegen die Missachtung der Menschenwürde eingesetzt, eine vom Nationalsozialismus abgelehnte künstlerische oder wissenschaftliche Richtung vertreten oder einem Verfolgten nahegestanden haben und deshalb nationalsozialistischen Gewaltmaßnahmen ausgesetzt waren (§ 1 Abs. 2 BEG), sowie bestimmte Hinterbliebene und nahe Angehörige von Verfolgten i. S. d. § 1 Abs. 3 BEG.
Rz. 4
Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass Verfolgten, die nationalsozialistischem Unrecht ausgesetzt waren und i. S. v. § 1 BEG anerkannt wurden, zur Kompensation von Nachteilen in der Altersversorgung bestimmte sozialversicherungsrechtliche Anrechnungszeiten gewährt werden. Derartige Anrechnungszeiten stellen keine Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsleistungen dar (und sind daher nicht bereits nach § 3 Nr. 8 EStG steuerfrei), weil sie (nur) dazu gedacht sind, die für die Verfolgten entstandenen Nachteile in der Alterssicherung zu kompensieren. Eine solche Fiktion der Beitragszahlung findet sich in diversen sozialversicherungsrechtlichen Vorschriften. Sie ergibt sich z. B. für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto aus § 2 GhettoRZahlG. Gleiches gilt für Anrechnungszeiten nach dem Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG) und nach dem Fremdrentengesetz (FRG).
Rz. 5
Es genügt, dass der Rentenbezieher (bzw. bei Hinterbliebenen nach S. 2 der sozialversicherte Verstorbene) die in § 1 BEG genannten Kriterien als Verfolgter (Rz. 3) erfüllt. Eine förmliche Zuerkennung des Verfolgtenstatus (etwa aufgrund eines Entschädigungsverfahrens nach §§ 173ff. BEG) ist nicht erforderlich. Da aber nur Renten begünstigt sind, in denen rentenrechtliche Anrechnungszeiten aufgrund von nationalsozialistischer Verfolgung enthalten sind, wird insofern über die Anerkennung als Verfolgter sozialversicherungsrechtlich entschieden.
Rz. 6
Die Steuerbefreiung gilt nicht nur für Fälle, in denen die Zahlbarmachung von Renten weit überwiegend oder ausschließlich auf Anrechnungszeiten zum Ausgleich von Schäden in der Sozialversicherung für Zeiten der Verfolgung bzw. auf Zeiten der Beschäftigung in einem Ghetto während der Verfolgungszeit beruht. § 3 Nr. 8a EStG stellt die Alters-, Erwerbsminderungs- und Todesfallrente in vollem Umfang steuerfrei, wenn in ihr (und sei es nur in geringem Umfang) verfolgungsbedingte Anrechnungszeiten enthalten sind. Die damit verbundene Begünstigung desjenigen Rentenanteils, der aufgrund einer regulären Erwerbstätigkeit gezahlt wird, dient zugleich der Verwaltungsvereinfachung.
Rz. 7
Renten von Todes wegen aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind steuerfrei, wenn der verstorbene Versicherte Verfolgter i. S. d. § 1 BEG war (Rz. 3) und wenn rentenrechtliche Zeiten aufgrund der Verfolgung in dieser Rente enthalten sind (Rz. 6).