Rz. 39

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG schließt den proportionalen Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG in bestimmten Fällen der Gesellschafter-Fremdfinanzierung aus. § 32d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) S. 1 EStG sieht vor, dass § 32d Abs. 1 EStG nicht für Kapitalerträge i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 4 u. 7 sowie Abs. 2 S. 1 Nr. 4 u. 7 EStG gilt, wenn sie von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zumindest zu 10 % an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist, soweit die den Kapitalerträgen entsprechenden Aufwendungen beim Schuldner Betriebsausgaben oder Werbungskosten im Zusammenhang mit Einkünften sind, die der inländischen Besteuerung unterliegen und § 20 Abs. 9 S. 1 Halbs. 2 EStG keine Anwendung findet. Dies gilt nach § 32d Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b) S. 2 EStG auch, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist. Der Gesetzgeber unterstellt bei Vorliegen einer Beteiligung i. H. v. mindestens 10 %, dass der Gesellschafter über besondere Möglichkeiten der Einflussnahme verfügt, die es ihm erlauben, durch eine Fremdfinanzierung von dem proportionalen Sondertarif i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG zu profitieren.[1] Ein Gegenbeweis ist dem Stpfl. nicht möglich. Der BFH hat dies aus verfassungsrechtlicher Sicht gebilligt und auf den bestehenden gesetzgeberischen Typisierungsspielraum verwiesen.[2] Das gilt nach der vorstehend zitierten Rspr. selbst dann, wenn die Darlehenshingabe vor Inkrafttreten der Abgeltungsteuer erfolgt ist, die Vereinnahmung der Zinsen indes der Abgeltungsteuer unterfällt.

[1] BT-Drs. 16/4841, 61.
[2] BFH v. 29.4.2014, VIII R 23/13, BFH/NV 2014, 1620, BStBl II 2014, 884; s. hierzu Moritz, AktStR 2014, 457.

3.1.2.1 Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft

 

Rz. 40

§ 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG enthält keine Definition des Begriffs der Kapitalgesellschaft und Genossenschaft. Aus dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich aber ableiten, dass die zivilrechtliche Rechtsform entscheidend sein soll. Die Frage, ob eine Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft vorliegt, ist daher nach Maßgabe des Zivilrechts zu beantworten. Das deutsche Zivilrecht kennt als Kapitalgesellschaften die AG, die KGaA und die GmbH einschließlich der UG haftungsbeschränkt sowie als Genossenschaften die eG. Hinzu kommen auf europäischer Ebene die europäische Aktiengesellschaft SE und die europäische Genossenschaft SCE. Bei ausl. Rechtsgebilden ist ein sog. Typenvergleich durchzuführen, d. h. diese Rechtsgebilde sind darauf zu überprüfen, ob sie einer deutschen Kapitalgesellschaft in den wesentlichen Punkten vergleichbar sind. Andere Körperschaften als Kapitalgesellschaften und Genossenschaften werden von der Regelung nicht erfasst. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG setzt ferner voraus, dass an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft eine Beteiligung von mindestens 10 % besteht. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung der Beteiligungsquote ist der Zeitpunkt des Zuflusses der Kapitalerträge i. S. d. § 11 Abs. 1 EStG. In die Berechnung der Beteiligungsschwelle von 10 % sind nur unmittelbare Beteiligungen einzubeziehen, wie der Vergleich mit § 32d Abs. 2 Nr. 3 EStG zeigt, der unmittelbare und mittelbare Beteiligungen ausdrücklich erwähnt.[1] Bei einer Beteiligung von weniger als 10 % gilt § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG nicht. Nach Ansicht der Finanzverwaltung ist in diesem Fall auch kein Rückgriff auf § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG möglich, sodass es bei der Anwendung des proportionalen Sondertarifs i. S. d. § 32d Abs. 1 EStG bleibt.[2] Die Ansicht hat sich der BFH angeschlossen.[3] § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) S. 1 EStG erfasst Fälle, in denen die Kapitalerträge von einer Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft an einen Anteilseigner gezahlt werden, der zumindest zu 10 % an der Kapitalgesellschaft oder Genossenschaft beteiligt ist. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) S. 2 EStG erweitert den Tatbestand auf Fälle, in denen der Gläubiger der Kapitalerträge eine dem Anteilseigner nahestehende Person ist. Für den Begriff des Nahestehens i. S. d. § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b) EStG gelten die zu § 32d Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) EStG entwickelten Grundsätze entsprechend, s. dazu die Ausführungen unter Rz. 34ff.[4] Erforderlich ist danach ein absolutes Beherrschungs- und Abhängigkeitsverhältnis. In Fällen, in denen Anteilseigner und Schuldner der Kapitalerträge jeweils Kapitalgesellschaften sind, muss der Gläubiger die Anteilseigner-Kapitalgesellschaft beherrschen, z. B. weil er über die Mehrheit der Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung verfügt.[5]

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