Rz. 45d
Kosten für eine künstliche Befruchtung konnten bis zum Vz 2010 nur dann als außergewöhnliche Belastung von der Steuer abgezogen werden, wenn die sog. homologe künstliche Befruchtung angewendet wurde, bei welcher die Frau mit dem Sperma ihres Ehemannes befruchtet wird.
Zwischenzeitlich hat der BFH diese Rspr. aufgegeben und für Fälle der nachweislichen Unfruchtbarkeit des Ehegatten entschieden, dass auch die heterologe künstliche Befruchtung, bei welcher die Frau mit dem Sperma eines Dritten (Spenders) befruchtet wird, als außergewöhnliche Belastung abziehbar ist. Zwar ginge es hierbei nicht um die Heilung oder Linderung der Krankheit des zeugungsunfähigen Mannes. Der medizinische Eingriff würde aber die Folgen der Krankheit abmildern bzw. ersetzen. Zuvor wurde bereits entschieden, dass Kosten einer künstlichen Befruchtung auch für eine unverheiratete Frau als außergewöhnliche Belastung abziehbar sind, soweit diese in Übereinstimmung mit den Richtlinien der ärztlichen Berufsordnung durchgeführt wurde.
Beachtlich ist insoweit, dass die ärztlichen Richtlinien z. T. vorsehen, dass eine künstliche Befruchtung bei einer unverheirateten Frau nur dann vorgenommen werden soll, sofern diese in einer festen Partnerschaft lebt und der Partner das Kind voraussichtlich anerkennen wird. Bei einer alleinstehenden Frau, die an einer Fertilitätsstörung leidet, sind die Kosten u. U. nicht abzugsfähig. Die Kosten der künstlichen Befruchtung einer Frau können auch dann eine außergewöhnliche Belastung sein, wenn sie ein Teil der Behandlung der bei ihrem Ehemann festgestellten Fertilitätsstörung sind. Dies bedeutet allerdings nicht, dass der Umkehrschluss, eine an einer Fertilitätsstörung leidende Frau könne Kosten einer künstlichen Befruchtung nur dann als außergewöhnliche Belastung abziehen, wenn sie auch in einer Beziehung befindlich sei, greift. Vielmehr ist auch hier entscheidend, dass eine Behandlung der Fertilitätsstörung ursächlich ist und bei der Durchführung der künstlichen Befruchtung die ärztlichen Richtlinien berücksichtigt worden sind.
Ebenfalls als außergewöhnliche Belastung abzugsfähig sind Kosten einer künstlichen Befruchtung, sofern die an einer Fertilitätsstörung leidende Frau in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebt. Der Familienstand ist insoweit unerheblich. Demgegenüber ist keine außergewöhnliche Belastung gegeben, sofern eine in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung lebende Frau nicht an einer Fertilitätsstörung leidet. Dies gilt auch dann, sofern die eine Partnerin an einer Fertilitätsstörung leidet und die gesunde Partnerin sich einer künstlichen Befruchtung unterzieht.
M. E. ist aus der Rspr. ferner zu folgern, dass auch bei einer verminderten Fruchtbarkeit die Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen vorliegen sollte. Eine Forderung nach weiteren Voraussetzungen in derartigen Fällen, insbesondere mehrfache erfolglose Versuche, können mit Verweis auf die Persönlichkeitsrechte des Stpfl. nicht gefordert werden.
Rz. 45d1
Von den FG unterschiedlich beurteilt wird hingegen die Frage, ob eine altersbedingte Fertilitätsstörung den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung von Kosten einer künstlichen Befruchtung ermöglichte oder nicht. Das FG Berlin-Brandenburg geht davon aus, dass eine lediglich aufgrund des Alters herabgesetzte Fertilität ohne weitere organische Ursachen nicht den Abzug einer außergewöhnlichen Belastung rechtfertigt.
Andere FG sehen dies demgegenüber m. E. richtigerweise kritisch, da die Frage der Ursächlichkeit einer herabgesetzten Fertilität zu komplex ist, als diese lediglich an das Lebensalter der Frau zu knüpfen.
Selbst wenn dies aber so wäre, würde es m. E. eine unzulässige Ausforschung des Privatlebens bzw. Forderung an die Frau darstellen, ein Kind in einem früheren Alter zu bekommen. Der genaue Zeitpunkt einer altersbedingten Fertilitätsstörung oder Herabsetzung ist in den seltensten Fällen exakt bestimmbar, sodass nicht die zusätzliche Forderung gerechtfertigt werden könnte, das Kind in einem früheren Alter zu bekommen. Dies lässt sich weder dem Gesetzestext noch den Grundsätzen der Rspr. zur Zwangsläufigkeit entnehmen. Wäre eine solche Forderung zulässig, würde m. E. das Merkmal der Zwangsläufigkeit nur in den seltensten Fällen erfüllt sein können, da dann auch bei anderen Konstellationen gefordert werden könnte, ein anderes Verhalten des Stpfl. zu einem früheren Zeitpunkt hätte die Kostenentstehung vermeiden können (z. B. Einstellung eines Personenschützers zur Verhinderung einer Entführung bei Zahlung von Lösegeld). Das Merkmal des auslösenden Moments (hier: Fertilitätsstörung) wäre in unzulässiger Art und Weise überdehnt.
Rz. 45e
Bei der Vornahme der künstlichen Befruchtung finden in Deutschland grundsätzlich zwei unterschiedliche Verfahren Anwendung. Zum einen wird das In Vitro Fertilisationsverfahren (IVF), bei dem ein Spermium und eine Eizelle der Frau außerhalb des Körpers zusammengebracht werden, angewendet. Zum anderen wird das Intra-Cyto...