Rz. 108
Ehescheidungen sind gem. § 1564 BGB nur durch einen Gerichtsbeschluss möglich. Zur Vornahme einer Scheidung ist ein familiengerichtliches Verfahren deshalb unausweichlich. Hiermit in Zusammenhang stehende Kosten waren daher nach alter Rechtslage regelmäßig als außergewöhnliche Belastung abziehbar (H 33.1–33.4 "Scheidung" EStH 2012). Neben den Verfahrenskosten zählten zu den abziehbaren Aufwendungen auch Gutachterkosten sowie sonstige durch das Gerichtsverfahren veranlasste Kosten. Nicht abziehbar waren dagegen freiwillig übernommene Kosten, auch wenn diese vertraglich vereinbart wurden, und Auseinandersetzungszahlungen.
Ein Abzug war auch dann möglich, wenn der Scheidungsantrag zurückgenommen wurde oder Aufwendungen durch eine einverständliche Regelung verursacht worden waren.
Rz. 108a
Die Neuregelung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG schließt demgegenüber den Abzug von Verfahrenskosten aufgrund eines Ehescheidungsverfahrens nach Auffassung des BFH aus. Dieser Auffassung hat sich zwischenzeitlich auch die Finanzverwaltung angeschlossen. M. E. ist dies kritisch zu sehen, da im Bereich der Ehescheidung eine Zwangsläufigkeit aus tatsächlichen Gründen regelmäßig gegeben ist. M. E. ist ein "Kernbereich des menschlichen Lebens" betroffen; würde der Stpfl. den Prozess nicht führen, ist m. E. fraglich, ob dieser nicht zwangsläufig Probleme bekommen und seine Existenzgrundlage verlieren würde. Nachdem der BFH klargestellt hat, dass der Verlust der Existenzgrundlage rein materiell zu verstehen ist, sind Scheidungskosten grundsätzlich nicht mehr abzugsfähig. Zwar ist das Erfordernis einer bestehenden Gefahr des Verlustes der Existenzgrundlage erfüllt, da ohne eine Scheidung zumindest die erneute Eingehung einer Ehe nicht möglich wäre und ein Bereich der existenziellen Lebensgestaltung mithin erheblich beschränkt wäre.
Dies ändert insoweit aber nichts daran, dass die finanzielle Existenzgrundlage zumindest nicht unmittelbar durch die Ehe bedroht ist. Entsprechend sind Scheidungskosten selbst dann nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar, wenn die Scheidung aufgrund von äußeren Umständen indiziert wird, z. B. aufgrund einer medizinischen Empfehlung.
Rz. 109
Sowohl nach alter als auch nach neuer Rechtslage sind Scheidungsfolgekosten (ebenfalls) nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar (= Folgesachen, die nach § 137 Abs. 2 und 3 FamFG zusammen mit der Scheidungssache verhandelt werden). Kosten, die durch eine Familienmediation im Ehescheidungsverfahren entstehen, sind ebenfalls nicht als außergewöhnliche Belastungen nach § 33 EStG berücksichtigungsfähig. Für weitere Prozesse, die ggf. zwischen (ehemaligen) Ehegatten geführt werden, gelten die allgemeinen Regelungen zur Abziehbarkeit von Zivilkosten, d. h. ein Abzug ist nur im Ausnahmefall möglich. Fraglich ist allerdings, inwieweit die Versagung des Abzugs bei vermögensrechtlichen Fragen gültig ist. Zumindest soweit die Absicherung der eigenen Existenz durch den Prozess angestrebt wird, sollte eine Abzugsfähigkeit auch nach der Neuregelung des § 33 Abs. 2 S. 4 EStG ggf. möglich sein. Dies dürfte indes nur im Ausnahmefall erfüllt sein, zumal bei Unterhaltszahlungen an den Ehegatten dem Unterhaltsverpflichteten regelmäßig ein eigenes Existenzminimum verbleibt. Schließlich sind Kosten für die Wiederbeschaffung von Möbeln oder anderen Utensilien nach einer Scheidung nicht als außergewöhnliche Belastung abziehbar.