8.1 Allgemein und Aufbau der Vorschrift
Rz. 20
§ 36a EStG definiert die Voraussetzungen für eine volle Anrechnung der KapESt in Ergänzung des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG regelt zunächst drei Voraussetzungen (Nr. 1: ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer, Nr. 2: ununterbrochene Tragung des Mindestwertänderungsrisikos, Nr. 3: keine Verpflichtung, die Kapitalerträge anderen Personen zu vergüten). Dabei beziehen sich § 36a Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG in zeitlicher Hinsicht auf die Mindesthaltedauer, die in Abs. 2 definiert ist. Das Mindestwertänderungsrisiko nach Nr. 2 ist in Abs. 3 geregelt. Für die Fälle, in denen bei einem Stpfl. aufgrund einer Steuerbefreiung kein Steuerabzug vorgenommen oder dem ein Steuerabzug erstattet wurde und der die Voraussetzungen für eine Anrechenbarkeit der KapESt nach den Abs. 1 bis 3 EStG nicht erfüllt, normiert Abs. 4 eine Anzeigepflicht des Stpfl. über diesen Sacherhalt gegenüber dem zuständigen FA und Zahlungsverpflichtung in Höhe des unterbliebenen Steuerabzugs auf Kapitalerträge. In Abs. 5 Nr. 1 und 2 ist eine Verschonungsregel für Fälle vorgesehen, in denen die Kapitalerträge im Vz nicht mehr als 20.000 EUR betragen (Nr. 1) und in denen der Stpfl. bei Zufluss der Kapitalerträge seit mindestens einem Jahr ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer der Aktien oder Genussscheine ist (Nr. 2). Abs. 6 sieht eine spezielle Regelung für Pensionstreuhandfälle und fondsgebundene Lebensversicherungen vor. Abs. 7 schließlich regelt das Verhältnis zu der allg. Missbrauchsbekämpfungsvorschrift des § 42 AO. Die Voraussetzungen des § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG müssen kumulativ erfüllt sein. Das ergibt sich aus der Formulierung "und“ am Ende von § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG.
8.2 Rechtsfolgen nach § 36a Abs. 1 S. 2 und 3 EStG
8.2.1 Volle Anrechnung der KapESt (§ 36a Abs. 1 S. 2 EStG)
Rz. 21
Sind die Voraussetzungen des § 36a EStG erfüllt, kommt es zu einer vollen Anrechnung der KapESt. Wenn die Voraussetzungen des § 36a EStG nicht erfüllt sind, sind nach § 36a Abs. 1 S. 2 EStG im Ergebnis 3/5 der KapESt (entspricht 15 % der Kapitalerträge) nicht anrechenbar, d. h. nur 2/5 der KapESt (entspricht 10 % der Kapitalerträge) können angerechnet werden.
8.2.2 Abzug bei der Ermittlung der Einkünfte auf Antrag (§ 36a Abs. 1 S. 3 EStG)
Rz. 22
Nach § 36a Abs. 1 S. 3 EStG ist die nicht angerechnete KapESt auf Antrag bei der Ermittlung der Einkünfte abzuziehen. aufgrund der Formulierung "nicht angerechnete“ anstatt von "nicht anzurechnende“ muss die KapESt tatsächlich angerechnet worden sein. Es kommt dann zu einer Minderung der steuerlichen Bemessungsgrundlage, sodass nur die Kapitalerträge, gemindert um die nicht angerechnete KapESt, zu versteuern sind. Es besteht ein Wahlrecht, da die Wirkung nur auf Antrag eintritt.
Rz. 23
Der Antrag nach § 36a Abs. 1 S. 3 EStG unterliegt nach dem Wortlaut der Norm keiner besonderen Form. Es ist jedoch nach Auffassung der Finanzverwaltung eine schriftliche oder elektronische Erklärung notwendig, die den Erklärenden, den Antragsteller sowie den Antrag hinreichend bestimmt erkennen lässt.
Rz. 24
Das Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG ist bei der Minderung der Einkünfte nach Ansicht des Gesetzgebers nicht anwendbar.
Minderung der Einkünfte fällt nicht unter das Werbungskostenabzugsverbot nach § 20 Abs. 9 S. 1 EStG.
Wurde auf eine Brutto-Dividende von 100 EUR KapESt in Höhe von 25 EUR erhoben und aufgrund des Satzes 1 ein Betrag von 15 EUR tatsächlich nicht angerechnet, dann hat der Steuerpflichtige nur die nach Abzug der nicht anrechenbaren KapESt verbleibenden Dividendeneinkünfte in Höhe von 85 EUR zu versteuern
8.3 Wirtschaftlicher Eigentümer während Mindesthaltedauer (§ 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 EStG)
Rz. 25
Nach § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 EStG muss der Stpfl. während der Mindesthaltedauer ununterbrochen wirtschaftlicher Eigentümer sein. Das Vorliegen von wirtschaftlichem Eigentum bestimmt sich nach § 39 AO.
Rz. 26
Anrechnungsberechtigter der KapESt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG ist der Anteilseigner. Anteilseigner ist nach § 20 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG i. V. m. § 39 Abs. 1 AO grundsätzlich derjenige, der im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses Eigentümer der Anteile oder Genussscheine ist. Wenn eine andere Person die Voraussetzungen des § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO erfüllt, ist diese Anrechnungsberechtigter.
Das wirtschaftliche Eigentum muss nach dem Wortlaut des § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG ununterbrochen bestanden haben. Nach der Entwurfsbegründung schließen Unterbrechungen eine Anrechnung ausdrücklich aus.
Zur Mindesthaltedauer nach § 36a Abs. 3 EStG wird auf die Ausführungen in Rz. 32ff. verwiesen.
8.4 Mindestwertänderungsrisiko (§ 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 EStG)
Rz. 27
Nach § 36a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 3 EStG muss der Stpfl. hinsichtlich der den Kapitalerträgen zugrunde liegenden Anteilen oder Genussscheinen während der Mindesthaltedauer nach § 36a Abs. 2 EStG ununterbrochen das Mindestwertänderungsrisiko tragen, das...