1 Allgemein
1.1 Ziel, Bedeutung und Hintergrund der Vorschrift
Rz. 1
§ 36a EStG ist durch das Investmentsteuerreformsteuergesetz (InvStRefG) v. 19.7.2016 eingeführt worden und stellt eine spezielle Missbrauchsnorm dar.
Die Norm dient nach der Entwurfsbegründung der Verhinderung der Umgehung einer Besteuerung von Dividenden durch sog. "Cum/Cum-Geschäfte".
Rz. 2
§ 36a EStG regelt eine Ergänzung der Voraussetzungen einer Anrechnung von KapESt nach § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG. Für eine Anrechnung der KapESt müssen neben den Voraussetzungen des § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG zusätzlich die des § 36a EStG vorliegen. Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 36a Abs. 1 S. 1 EStG (setzt […] ferner voraus).
Wenn die Voraussetzungen des § 36a EStG nicht erfüllt sind, können als Rechtsfolge nach § 36a Abs. 1 S. 2 EStG im Ergebnis 3/5 der KapESt nicht, d. h. 2/5 der KapESt können angerechnet werden.
1.2 Definition von sog. "Cum/Cum-Geschäften"
Rz. 3
"Cum/Cum-Geschäfte" werden nach der Entwurfsbegründung zu § 36a EStG als ein Sachverhalt definiert, in dem durch den Verkauf der Aktien vor dem Dividendenstichtag und eine gleichzeitige Rückveräußerung nach dem Dividendenstichtag (durch Termingeschäft) oder durch eine Wertpapierleihe ein Steuerausländer oder eine inländische Körperschaft die Besteuerung der Dividenden vermeiden kann. Die Transaktionen sind nach der Entwurfsbegründung so ausgestaltet, dass auf der Käuferseite zwar stpfl. Dividenden anfallen, aber gleichzeitig Verluste aus einer späteren Rückveräußerung der Aktien oder Aufwendungen aus einer Wertpapierleihgebühr entstehen. Im Ergebnis kommt es bei dem Aktienkäufer zu fast keiner Steuerlast, sodass die einbehaltene KapESt an den Käufer erstattet werden muss. Die Steuerersparnis teilen sich Verkäufer und Käufer.
Die Finanzverwaltung definiert sog. "Cum/Cum-Geschäfte" wie folgt:
"[...]eine Aktientransaktion, bei der das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft 'mit Dividendenberechtigung' vereinbart wird und die anschließende Lieferung der Aktien (dingliches Verfügungsgeschäft) ebenfalls 'mit Dividendenberechtigung' erfolgt. Lieferung mit Dividendenberechtigung meint, dass dem Erwerber das zivilrechtliche Eigentum an den Aktien noch vor oder spätestens am Dividendenstichtag (= Tag der Hauptversammlung der ausschüttenden Gesellschaft) verschafft wird. "Cum/Cum-Gestaltungen" sind in der Regel dadurch gekennzeichnet, dass unmittelbar vor dem Dividendenstichtag inländische Aktien zur Vermeidung einer Definitivbelastung mit Kapitalertragsteuer (KapSt), insbesondere bei Steuerausländern, durch "Cum/Cum-Transaktionen" auf einen anrechnungsberechtigten Steuerinländer übertragen werden".
Rz. 4
Zur Verhinderung der Umgehung einer Besteuerung von Dividenden durch "Cum/Cum-Geschäfte" schließt § 36a EStG die Anrechnung der auf Einkünfte gem. § 43 Abs. 1 Nr. 1a EStG (dies sind im Wesentlichen Dividenden) erhobenen KapESt unter bestimmten Voraussetzungen aus.
Der Gesetzgeber hat den Hintergrund der Vorschrift von § 36a EStG in der Entwurfsbegründung an einem Beispiel verdeutlicht :
Ausschluss der Anrechnung der auf Dividenden erhobenen KapESt
Ein Steuerausländer verkauft A-Aktien zu einem Preis von 1.000 EUR spätestens zwei Tage vor dem Dividendenstichtag an eine inländische Bank. Die Aktien werden rechtzeitig vor dem Dividendenstichtag geliefert, sodass der inländischen Bank Dividenden in Höhe von 100 EUR abzüglich von 25 EUR KapEst zufließen. Üblicherweise reduziert sich der Kurs einer Aktie nach der Dividendenausschüttung um den Betrag der Ausschüttung (sog. Dividendenabschlag), sodass die A-Aktien grundsätzlich einen Wert von 900 EUR haben.
Wie vorher vereinbart verkauft die inländische Bank nach dem Dividendenstichtag die Aktien zu einem Preis von 903 EUR zurück an den Steuerausländer.
Die inländische Bank erhält einen Kaufpreis von 903 EUR
eine Netto-Dividende in Höhe von 75 EUR
eine Steuergutschrift in Höhe von 25 EUR
und zahlte vorher einen Kaufpreis von 1 000 EUR
Gewinn: 3 EUR
Faktisch muss die inländische Bank nicht die Di...