Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
10.2.1 Allgemeines
Rz. 570
Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG alle Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind. Diese Definition ist im Zusammenhang zu sehen mit der Funktion des Betriebsausgabenbegriffs. Dieser Begriff soll einmal die Zuordnung zu einer bestimmten Einkunftsart sicherstellen, um den Nettoertrag aus dieser Einkunftsart zu ermitteln. Dies drückt § 4 Abs. 4 EStG durch das Erfordernis der Veranlassung durch "den" Betrieb aus. Damit wird die Betriebsausgabe einem bestimmten Betrieb zugeordnet, womit gleichzeitig auch die Einkunftsart, zu der die Tätigkeit dieses Betriebs gehört, festgelegt wird.
Wichtiger ist der zweite Aspekt der Definition. Das Merkmal der "Veranlassung" durch den Betrieb legt die Zuordnung zu der betrieblichen Sphäre fest und trifft damit die Abgrenzung zur Privatsphäre.
Betriebsausgabe kann daher nur sein, was durch die Veranlassung der Aufwendung dem (bestimmten) Betrieb zugeordnet werden kann.
Die betriebliche Veranlassung als Zuordnungsgrund der Aufwendung zu dem betrieblichen Bereich, und damit zum Bereich der Einkommenserzielung ist konstituierend für die Abgrenzung zur Privatsphäre und daher ein unabdingbarer Bestandteil einer Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (zum Vergleich der Definition der Betriebsausgabe zu dem anders formulierten Begriff der Werbungskosten in § 9 Abs. 1 EStG vgl. § 9 Rz. 8ff.).
10.2.2 Betriebliche Veranlassung
Rz. 571
Eine Betriebsausgabe liegt nur vor, wenn die Aufwendung durch den Betrieb veranlasst ist.
Der Begriff der Veranlassung ist als "Ursache" der Aufwendung zu verstehen; der Betrieb darf also nicht hinweggedacht werden können, ohne dass die Aufwendung entfiele. Der Begriff der "Veranlassung" ist daher nicht als "Anlass" im natürlichen Sprachgebrauch zu verstehen. "Anlass" ist danach der nach außen erkennbare Beweggrund, der äußerliche Auslöser, der nicht unbedingt die eigentliche Ursache wiedergibt; i. d. S. werden "äußerer Anlass" und "innerer Grund" einander gegenübergestellt. "Veranlassung" i. S. d. Definition der Betriebsausgaben bezeichnet demgegenüber die wesentliche Ursache für die Aufwendung und steht damit dem "inneren Grund" näher als dem "äußerlichen Anlass".
Aufwendungen anlässlich eines Dienstjubiläums können daher (nahezu) ausschließlich beruflich veranlasst sein, wenn die Gäste nach berufsbezogenen Kriterien eingeladen werden.
Rz. 572
Ursache i. S. d. Kausalitätslehre ist jeder Umstand, der nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass bei sonst gleichem Sachverhalt die Wirkung entfiele (conditio sine qua non). Im Recht wird jede Handlungsursache je nach der Funktion des Ursachenbegriffs im Zusammenhang des jeweiligen Rechtsgebiets gewichtet. Entweder wird jede Ursache als gleichwertig angesehen (Äquivalenztheorie), oder es wird zwischen verschiedenen Ursachen nach bestimmten Wertungskriterien eine Auswahl getroffen (Adäquanztheorie). Bei der im Strafrecht angewandten Äquivalenztheorie wird jede Ursache (d. h. jede conditio sine qua non) als gleichwertig verantwortlich für den Erfolg angesehen. Dagegen gilt im Zivilrecht weitgehend die Adäquanztheorie, wonach nur dann Handlungen als ursächlich für ein Ereignis angesehen werden, wenn nach dem allgemein zu erwartenden Geschehensablauf diese Folgen zu erwarten waren. Die Folgen müssen also der Ursache adäquat (angemessen) sein.
Im Steuerrecht ist die Ursache i. S. d. Äquivalenztheorie zu verstehen, d. h. jede Ursache, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg (die Aufwendung) entfiele, ist gleichwertige Ursache des Erfolgs, d. h. der Aufwendung (§ 9 EStG Rz. 8ff.). . Die Rspr. drückt dies durch Formulierungen aus, dass ein "objektiver, wirtschaftlicher oder tatsächlicher Zusammenhang" zwischen Aufwendungen und Betrieb bestehen müsse (zur Notwendigkeit einer Gewichtung verschiedener Ursachen vgl. Rz. 577).
Rz. 573
Wird der Veranlassungsbegriff i. S . einer nicht hinwegzudenkenden Ursache definiert, stellt sich die Frage nach der Bedeutung des Zwecks der Ausgabehandlung (Finalität). Der Anlass einer Ausgabe könnte auch als Zweck, den der Leistende mit der Ausgabe verfolgt, verstanden werden. Betriebsausgabe wäre damit jede Ausgabe, mit der der Leistende die Förderung seines Betriebs verfolgt.
Finalität (Zweck) der Ausgabe und Ursache i. S. d. conditio sine qua non sind keine Gegensätze. Beruht die Aufwendung auf einer Handlung des Stpfl., verfolgt dieser mit der Aufwendung immer einen bestimmten Zweck; "zweckfreie" menschliche Handlungen gibt es nicht. Der mit der Aufwendung verfolgte Zweck (die Finalität) und damit der menschliche Handlungswille (das Motiv seiner Handlung) kann innerhalb einer Ursachenkette conditio sine qua non sein. Bezweckt der Stpfl. mit der Aufwendung die Förderung seines Betriebs, so würde der Zweck (das Motiv) der Handlung und damit die Handlung selbst, die Aufwendung, entfallen, wenn der Betrieb hinweggedacht wird. Der Betrieb ist daher Ursache i. S. d. conditio sine qua non für den Zweck (das Motiv) der Handlung und damit für die Handlung sel...