Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 5
Als Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbstständiger Arbeit ist im Rahmen der Einkommensermittlung nach § 2 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 EStG der Gewinn anzusetzen. Die Definition des Gewinns ist in § 4 Abs. 1 EStG enthalten. Gewinn ist danach die Differenz zwischen dem Betriebsvermögen am Ende des Wirtschaftsjahrs und dem am Anfang des Wirtschaftsjahrs (Ende des vorhergehenden Wirtschaftsjahrs). Zusätzlich ist der Gewinn um Vermögenszuflüsse aus der und Vermögensabflüsse in die Privatsphäre zu bereinigen. Vermögensänderungen durch Einlagen sind abzuziehen, durch Entnahmen dem Gewinn hinzuzurechnen.
Rz. 5a
§ 4 Abs. 1 EStG enthält nicht nur die Beschreibung einer Gewinnermittlungsart (Betriebsvermögensvergleich), sondern auch die Definition des Gewinns, die für alle Gewinnermittlungsarten gilt. Auch soweit der Gewinn durch eine andere Gewinnermittlungsart ermittelt wird (§ 4 Abs. 3 EStG), gilt diese Definition. Die Einnahme-Überschussrechnung ist lediglich eine vereinfachte Form, die den Gewinnbegriff aber nicht ändert. Auf lange Sicht gesehen muss die Einnahme-Überschussrechnung daher zu dem gleichen Ergebnis führen wie der Betriebsvermögensvergleich. Bei Veräußerung des Betriebs oder Teilbetriebs, Betriebsaufgabe oder Betriebseinbringung muss der Stpfl. daher von der Einnahme-Überschussrechnung zum Betriebsvermögensvergleich übergehen (R 4.5 Abs. 6 EStR 2012). Damit werden im letztmöglichen Zeitpunkt alle Differenzen zwischen Betriebsvermögensvergleich und Einnahme-Überschussrechnung steuerwirksam erfasst.
Rz. 5b
Der Begriff des Gewinns und die Gewinnermittlungsarten gelten sowohl für unbeschränkt als auch für beschränkt stpfl. Einkünfte.
Rz. 6
Der Begriff des Gewinns enthält folgende Elemente:
Gewinn ist die Vermögensmehrung, die innerhalb eines bestimmten Zeitraums, des Gewinnermittlungszeitraums (§ 4a EStG), erzielt wird. Da das Gesetz von "Unterschiedsbetrag" zwischen 2 Vermögensmassen (Anfangs- und Endvermögen) spricht, werden auch negative Unterschiedsbeträge steuerlich erfasst, also Vermögensminderungen ("negative Einkünfte"; "Verlust"). Die steuerliche Erfassung der Vermögensmehrungen oder -minderungen ist der wesentliche Unterschied der Gewinneinkünfte zu den Überschusseinkünften (§ 2 Abs. 1 Nr. 4 bis 7, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 EStG). Bei den Gewinneinkünften werden nicht nur der Sektor der eigentlichen Einkünfte, sondern auch Vermögensänderungen erfasst (Reinvermögenszugangstheorie; § 2 EStG Rz. 33), bei Überschusseinkünften ist das teilweise (insbesondere im Bereich der Einkünfte aus Kapitalvermögen) nicht der Fall (Quellentheorie; § 2 EStG Rz. 32).
Die Erfassung bloßer Vermögensänderungen bedingt, dass die Wirtschaftsgüter mit ihrem Wert (wie in §§ 6 und 7 EStG definiert) in den Betriebsvermögensvergleich eingehen. Damit werden grundsätzlich am Markt noch nicht vereinnahmte oder verausgabte Vermögensänderungen erfasst. Es kommt somit nicht auf Zufluss oder Abfluss an; § 11 EStG gilt nicht (Rz. 298). Bei der Einnahme-Überschussrechnung ist zwar § 11 EStG anzuwenden; die dadurch entstehenden Differenzen zum Betriebsvermögensvergleich werden aber spätestens bei Beendigung des Betriebs ausgeglichen (Rz. 519).
Steuerlich erfasst werden nur Mehrungen oder Minderungen des "Betriebsvermögens". Dies setzt die Abgrenzung einer Mehrheit von Vermögensgegenständen (der Wirtschaftsgüter, Rz. 92ff.), die als Betrieb in einem organisatorischen Zusammenhang zueinander stehen, von dem übrigen Vermögen des Stpfl., dem Privatvermögen, voraus (vgl. Rz. 26ff.). Da nur Vermögensänderungen der betrieblichen Sphäre erfasst werden, müssen zusätzlich Vermögensänderungen, die aus der privaten Sphäre fließen, abgegrenzt werden; dies geschieht durch den Begriff der Einlagen und Entnahmen (Rz. 303ff.).