Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
Rz. 515
Im Rahmen der Einnahme-Überschussrechnung besteht keine generelle Verpflichtung, Aufzeichnungen zu führen; die §§ 140, 141 AO gelten gerade nicht. Es besteht daher auch keine Verpflichtung, Betriebseinnahmen und -ausgaben aufzuzeichnen. Auch eine Verpflichtung zur Führung einer Kasse bzw. eines Kassenbuchs besteht nicht.
Rz. 516
Es bestehen nur einzelne Aufzeichnungspflichten aufgrund besonderer gesetzlicher Bestimmungen. Die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens sowie die unter Abs. 3 S. 4 fallenden Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens sind nach § 4 Abs. 3 S. 5 EStG in ein besonderes Verzeichnis unter Angabe des Tags der Anschaffung und Herstellung und der Anschaffungs- und Herstellungskosten aufzunehmen. Diese Aufzeichnungspflicht gilt auch für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG und für die in die Poolabschreibung einbezogenen Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2a EStG.
Die Erstellung des Verzeichnisses für abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ermöglicht die Kontrolle der Abschreibungen. Das Verzeichnis für nicht abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und die in S. 4 aufgeführten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens dient der Festhaltung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten bzw. des Einlagewerts, um diese Beträge bei einer späteren Veräußerung oder Entnahme als Betriebsausgaben absetzen zu können. Die Ausdehnung der Pflicht, ein Verzeichnis zu führen, auf abnutzbare Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und die in S. 4 genannten Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens durch das Gesetz v. 28.4.2006 gilt erstmals für Wirtschaftsgüter, die nach dem 5.5.2006 (dem Tag der Verkündung des Gesetzes) angeschafft, hergestellt oder in das Betriebsvermögen eingelegt worden sind. Für vorher angeschaffte, hergestellte oder eingelegte Wirtschaftsgüter gilt die Aufzeichnungspflicht nicht, und zwar auch dann nicht, wenn die Abschreibungen in der Zeit nach dem 5.5.2006 geltend gemacht werden.
Rz. 517
Weitere im Rahmen der Einnahme-Überschussrechnung zu beachtende Aufzeichnungspflichten sind:
- Aufzeichnungen nach § 4 Abs. 6 EStG;
- bei Inanspruchnahme der Bewertungsfreiheit für geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG das besondere Verzeichnis nach § 6 Abs. 2 S. 4 EStG; ab Vz 2008 ist diese besondere Aufzeichnungspflicht entfallen; es gelten die allgemeinen Aufzeichnungspflichten für Anlagevermögen;
- bei Übertragung stiller Reserven nach § 6c EStG ein besonderes Verzeichnis nach § 6c Abs. 2 EStG;
- bei Vornahme von erhöhten Absetzungen und Sonderabschreibungen das laufende Verzeichnis nach § 7a Abs. 8 EStG;
- Aufzeichnung von Wareneingang, § 143 AO, und Warenausgang, § 144 AO;
- Aufzeichnungen nach § 22 UStG i. V. m. §§ 63 – 68 UStDV.
Rz. 517a
- Nach § 60 Abs. 4 EStDV ist eine Einnahme-Überschussrechnung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz oder nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck zu erstellen und der Finanzbehörde zu übermitteln. Dies ist in der Anlage EÜR geschehen. Rechtsgrundlage hierfür ist § 51 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a EStDV, da hiernach die Finanzbehörde berechtigt ist, die der Steuererklärung beizufügenden Unterlagen durch Rechtsverordnung zu bestimmen. Dies betrifft sowohl die Frage, welche Unterlagen beizufügen sind, als auch ihre Form. Dies dient sowohl der Gleichmäßigkeit der Besteuerung, da durch den gleichmäßigen Aufbau der Einnahme-Überschussrechnung die Vergleichbarkeit der Gewinnermittlung und damit die Kontrollmöglichkeiten der Finanzverwaltung verbessert, als auch der Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens, da zumindest aufseiten der Finanzverwaltung durch die Standardisierung ein Vereinfachungseffekt eintritt. § 60 Abs. 4 EStDV hat hierfür eine genügende Ermächtigungsgrundlage. Ab Vz 2017 ist die Übermittlung der Anlag EÜR nur noch mit elektronischer Authentifizierung möglich. Die Regelung, nach der bei Betriebseinnahmen von weniger als 17.500 EUR der Steuererklärung anstelle des Vordrucks eine formlose Gewinnermittlung beigefügt werden durfte, besteht nicht mehr fort.
Rz. 518
Auch wenn der Stpfl. keine allg. Aufzeichnungspflichten zu erfüllen hat, trifft ihn doch die objektive Beweislast hinsichtlich der geltend gemachten Betriebsausgaben. Hierzu kann eine geordnete Ablage der Belege genügen. Kann das FA infolge des Fehlens von geordneten Unterlagen die Besteuerungsgrundlagen nicht mit hinreichender Sicherheit ermitteln, kann es nach § 162 AO schätzen. Die freiwillige Aufbewahrung aller Belege ist im Regelfall die notwendige Voraussetzung für den Schluss, dass die Betriebseinnahmen vollständig erfasst und die geltend gemachten Betriebsausgaben betrieblich veranlasst sind (vgl. BFH v. 15.4.1999, IV R 68/98, BStBl II 1999, 481, BFH/NV 1999, 1410). Nur auf dieser Grundlage hat die vom Stpfl. angefertigte Einnahme-Überschussrechnung die Vermutung der Richtigkeit für sich.
Zudem wird den Aufzeichnungspflichten gem. § 4 Abs. 3 EStG nicht in genügender Weise nachgekommen, wenn lediglich ein Umsatzsteuerheft mit aufsummierten Tageserlösen geführt wird. Die...