4.1 Pflicht zur Übermittlung nicht vorliegender bzw. unvollständiger Angaben
Rz. 5
Die Neufassung des § 45b EStG hat im Gesetzgebungsverfahren erhebliche Kritik vonseiten der Sachverständigen erfahren, der zuzustimmen ist. Der mit dem AbzStEntModG eingeschlagene Weg ist im Hinblick auf die Bekämpfung von Steuerumgehungen nicht zielführend und berücksichtigt nicht die bisherigen Gesetzesänderungen zur Vermeidung von Gestaltungen. Die geplante Datenbank beim BZSt soll gem. § 45b Abs. 2 Nr. 1 bis 9 und Abs. 3 EStG mit zahlreichen Daten bestückt werden, die von den Kreditinstituten angeliefert werden sollen, obwohl diese nicht selbst über alle anzuliefernden Daten verfügen. Davon gehen auch der Normenkontrollrat (NKR) und der Bundesrat in ihren Stellungnahmen zu dem Gesetzesentwurf aus. Nach § 45b EStG sollen von den depotführenden Stellen Daten gemeldet werden, die diesen und den Zwischenverwahrern nicht vorliegen (z. B. zu Kunden ausl. Depotbanken, Verwahrstellen, Wertpapierleihgeschäfte der Kunden gem. § 45b Abs. 2 Nr. 5-7 EStG, Daten gem. § 45b Abs. 2 Nr. 8 EStG zu den jeweils in die Verwahrkette nacheinander eingebundenen inländischen oder ausl. Zwischenverwahrstellen der Wertpapiere). Diese Daten werden von den auszahlenden Stellen nicht für den KapESt-Abzug benötigt und müssten allein für Zwecke der Mitteilung gegenüber dem BZSt beschafft werden.
Rz. 5a
Es werden originär staatliche Ermittlungspflichten auf die Kreditwirtschaft übertragen, die für die Daten auch noch eine Garantenstellung übernehmen soll, ohne ihr passende Durchgriffsmöglichkeiten an die Hand zu geben. Im Ergebnis wird das Ausfallrisiko für die Besteuerung gerade bei Auslandssachverhalten auf die Kreditwirtschaft übertragen. Schließlich führen die geplanten Datenmeldungen zu einer erheblichen Ausweitung bürokratischer Belastungen. Die angebliche zukünftige Reduzierung der Kosten laut Gesetzentwurf (Veränderung des jährlichen Erfüllungsaufwands: -1,471 Mio. EUR) ist nicht nachvollziehbar, denn es wird nicht berücksichtigt, dass gleichwohl Kontrollen erforderlich sind und Kosten für die Datenverarbeitung wie Pflege der Schnittstellen und zusätzlicher Programmieraufwand entstehen) Zudem werden die Risiken des KapESt-Einbehalts durch die auszahlenden Stellen insb. für ausl. Anleger erhöht, die dazu geeignet sind, die Rahmenbedingungen für Aktieninvestitionen in deutsche Unternehmen erheblich zu verschlechtern. Denn ohne Steuerbescheinigung i. S. d. § 45a Abs. 2 EStG können Aktionäre keine Anrechnung/Erstattung von KapESt gem. dem durch das AbzStEntModG ebenfalls neu gefassten § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 2 EStG geltend machen, und zwar auch solche nicht, die keine Geschäfte über den Dividendenstichtag betreiben. Schließlich sollen die nach § 45b Abs. 2 und 3 EStG erhobenen Daten quasi unbegrenzt vorgehalten werden, was Aufbewahrungsfristen (§ 147 AO) und datenschutzrechtlichen Grundsätzen (DS-GVO) widerspricht. Die unbefristete Speicherpflicht wurde auch vom Bundesrat kritisiert und ein Gleichlauf mit den Aufbewahrungsfristen nach § 147 AO vorgeschlagen, aber im Gesetzgebungsverfahren nicht aufgegriffen.
4.2 Unzulässige Inpflichtnahme der depotführenden Stellen durch § 45b EStG
Rz. 6
Die auszahlenden Stellen i. S. d. § 44 Abs. 1 S. 3 EStG werden vom Staat nach den Grundsätzen der Inpflicht- bzw. Indienstnahme als "Erfüllungsgehilfen" verpflichtet, den KapESt-Abzug nach den §§ 43ff. EStG vorzunehmen. Das BVerfG hat diese Inpflichtnahme bisher regelmäßig gebilligt. Die auszahlenden Stellen (etwa Kreditinstitute) sind als inländische juristische Personen des Privatrechts und Personenhandelsgesellschaften über Art. 19 Abs. 3 GG regelmäßig Träger des Grundrechts der Berufsfreiheit, da dieses Grundrecht seinem Wesen nach auf diese anwendbar ist und auch korporativ betätigt werden kann. Der Eingriff in die Berufsfreiheit der auszahlenden Stellen gem. Art. 12 Abs. 1 GG durch die Inpflichtnahme ist nach der Rspr. des BVerfG aber nur vereinbar, wenn er auf einer gesetzlichen Grundlage beruht (Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG), die durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt wird und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht – wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Regelungsziels geeignet und erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist.
Rz. 6a
Bei der Erforderlichkeit der vorgesehenen Maßnahmen in § 45b EStG ergeben sich jedoch beträcht...