Rz. 39
Während des in Art. 10 ZinsRL bestimmten Übergangszeitraums ist es nach § 10 ZIV den EU-Mitgliedstaaten Belgien, Luxemburg und Österreich aus Rücksicht auf das dort bestehende Bankgeheimnis gestattet, anstelle der Datenübermittlung zu den von der ZinsRL erfassten grenzüberschreitenden Zinszahlungen EU-Quellensteuer zu erheben. Der Steuersatz beläuft sich v. 1.7.2005 bis 30.6.2008 auf 15 %, v. 1.7.2008 bis 30.6.2011 auf 20 % und ab 1.7.2011 auf 35 % (§ 11 ZIV i. V. m. Art. 11 ZinsRL).
Rz. 39a
Für grenzüberschreitende Zinszahlungen an in diesen drei Mitgliedstaaten ansässige wirtschaftliche Eigentümer durch Zahlstellen in den anderen Mitgliedstaaten gilt jedoch nach § 10 ZIV das Datenübermittlungsverfahren der §§ 8 und 9 ZIV (Rz. 28ff.).
Rz. 39b
Belgien nimmt seit dem 1.1.2010, also bei Zinszuflüssen ab dem 1.1.2010, am automatischen Informationsaustausch teil, sodass ab dem Meldezeitraum 2010 in Belgien keine Quellensteuer mehr erhoben wird.
Rz. 40
Bei der EU-Quellensteuer, die nicht vom Schuldner der Kapitalerträge, sondern von der jeweiligen Zahlstelle zu erheben ist, handelt es sich nicht um eine Abgeltungssteuer; vielmehr unterliegen die der EU-Quellensteuer unterworfenen Zinszahlungen gem. § 11 ZIV nach wie vor der Besteuerung im Wohnsitzstaat des wirtschaftlichen Eigentümers zu den dort geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften.
Rz. 40a
Von der einbehaltenen EU-Quellensteuer stehen dem Zahlstellenstaat (Quellenstaat) 25 % zu; 75 % werden im Rahmen des sog. revenue sharing an den Wohnsitzstaat des betreffenden wirtschaftlichen Eigentümers weitergeleitet. Die Weiterleitung des den Finanzbehörden des Wohnsitzstaats zustehenden Anteils erfolgt anonym, d. h. ohne Preisgabe der Identität des betreffenden wirtschaftlichen Eigentümers.
Rz. 41
Für die Entgegennahme des der Bundesrepublik Deutschland zustehenden Anteils an den Quellensteuereinnahmen ist das BZSt gem. § 12 ZIV i. V. m. Art. 12 ZinsRL zuständig. § 12 ZIV regelt nur die Entgegennahme der Einnahmen aus der EU-Quellensteuer durch das BZSt.
Rz. 42
Die Besteuerung dieser Zinserträge im Wohnsitzland des Anlegers ist durch die EU-Quellensteuer nicht ausgeschlossen. Für den vollen Betrag der einbehaltenen EU-Quellensteuer erteilt die Zahlstelle des Quellenstaats dem wirtschaftlichen Eigentümer eine Steuergutschrift, die ihm bei seiner Veranlagung in der Bundesrepublik Deutschland auf seine eigene Steuerschuld uneingeschränkt angerechnet und ggf. erstattet wird, soweit sie die festgesetzte ESt übersteigt (§ 14 Abs. 1, 2 ZIV). Werden die Zinsen im Quellenstaat neben der EU-Quellensteuer mit anderen anrechenbaren ausländischen Steuern belastet, ist nach § 14 Abs. 3 ZIV vor diesen weiteren Steuern die EU-Quellensteuer anzurechnen.
Rz. 43
Der wirtschaftliche Eigentümer kann den Abzug der EU-Quellensteuer vermeiden, indem er seiner Zahlstelle eine von seinem Wohnsitzfinanzamt nach § 13 ZIV ausgestellte Bescheinigung vorlegt, die die Abstandnahme vom Steuerabzug ermöglicht.
Rz. 43a
Bei einer Zahlstelle in Luxemburg kann der wirtschaftliche Eigentümer den Abzug der EU-Quellensteuer auch dadurch vermeiden, dass er die Zahlstelle ausdrücklich ermächtigt, vom Steuerabzug Abstand zu nehmen und stattdessen die Zinserträge nach den Regelungen des für diesen Fall auch in Luxemburg geltenden Datenerhebungs- und -übermittlungsverfahrens entsprechend den luxemburgischen Vorschriften zu melden. Bei Zahlstellen in Belgien und Österreich ist die Abstandnahme vom Steuerabzug dagegen nur durch Vorlage der Bescheinigung nach § 13 ZIV erreichbar.
Rz. 44
Die Abstandnahme vom Steuerabzug hat für den wirtschaftlichen Eigentümer den Vorteil, dass er sofort über den vollen Zinsertrag verfügen kann. Der deutsche Fiskus profitiert ebenfalls, denn er muss nicht – wie beim Steuerabzug – die dem wirtschaftlichen Eigentümer erteilte Steuergutschrift in voller Höhe anrechnen, obwohl ihm wegen des revenue sharing mit den Quellenstaaten nur 75 % der Einnahmen aus der EU-Quellensteuer zugeflossen sind.
Rz. 44a
Mit dem Quellenabzug erlischt die deutsche ESt-Pflicht nicht. Die Quellensteuer wird in vollem Umfang auf die deutsche ESt angerechnet (§ 14 Abs. 2 ZIV).