Rz. 50
Zu beachten ist allerdings, dass sich dieser Verweis nicht auf § 4f Abs. 1 S. 3 bis 6 EStG bezieht. Damit dürften die in den S. 3 bis 6 geregelten Ausnahmen in Fällen des Abs. 2 keine Anwendung finden. Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung. In der Literatur ist dies umstritten. Nach der Auffassung der Finanzverwaltung bedeutet das, dass der Aufwand aus der Realisierung stiller Lasten stets auf 15 Wirtschaftsjahre zu verteilen wäre. Die Ausnahme für die Veräußerung oder Aufgabe von Betrieben oder Mitunternehmeranteilen würde danach dürfte bei Schuldbeitritten und Erfüllungsübernahmen i. S. v. § 4f Abs. 2 EStG also ebenso wenig Anwendung finden, wie die Ausnahmen für die Übertragungen von Pensionsverbindlichkeiten beim Arbeitgeberwechsel oder für kleinere und mittlere Betriebe (§ 7g EStG-Fälle). Dasselbe würde nach Auffassung der Finanzverwaltung für die Regel in § 4f Abs. 1 S. 4 EStG gelten, wonachAufwand aus Teilbetriebsveräußerungen nur insoweit über 15 Wirtschaftsjahre verteilt werden muss, als dieser einen Veräußerungsverlust begründet oder erhöht hat. Nach hier vertretener a. A. ist diese Regel allerdings Ausdruck des allgemeinen Prinzips, dass § 4f EStG nicht die Besteuerung fiktiver Gewinne beabsichtigt (Rz. 23), sodass sie auch bei solchen Teilbetriebsveräußerungen Anwendung finden sollten, bei denen Verpflichtungen im Wege des Schuldbeitritts oder der Erfüllungsübernahmen übertragen werden.
Rz. 51
Die Gesetzesbegründung liefert keinen Hinweis auf die Überlegungen, die dieser unvollständigen Verweisung zugrunde gelegen haben. Sie spricht lediglich von einer "entsprechend(en)" Anwendung von Abs. 1. Aus der Sicht der Praxis macht die Unterscheidung zwischen Vorgängen nach § 4f Abs. 1 und Abs. 2 EStG wenig Sinn; insbesondere da Schuldbeitritte oder Erfüllungsübernahmen oft nur deshalb vereinbart werden, weil es faktisch nicht oder nur schwer möglich ist, die für eine Einzelrechtsnachfolge erforderliche Zustimmung des Gläubigers zu einer befreienden Schuldübernahme zu erhalten.
Im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union hatte der Bundesrat dann auch empfohlen, in § 4f Abs. 2 insgesamt auf Abs. 1 zu verweisen. Diese Empfehlung wurde jedoch nicht umgesetzt.
Befreiende Schuldübernahme als bessere Variante
Aus der Sicht der Praxis führt die unvollständige Verweisung auf Abs. 1 dazu, dass möglichst befreiende Schuldübernahmen anstelle von Schuldbeitritten oder eine Erfüllungsübernahme vereinbart werden sollten. Dies erfordert in Fällen der Einzelrechtsnachfolge jeweils die Zustimmung des Vertragspartners, was insbesondere bei einer Vielzahl von übertragenen Verpflichtungen zu einem erheblichen Aufwand führen kann.
Rz. 52
Idealerweise sollte die Zustimmung der Gläubiger vorab eingeholt werden, sie kann jedoch auch noch nachträglich als Genehmigung erfolgen. Solange die Genehmigung für eine befreiende Schuldübernahme nach § 415 Abs. 1 BGB noch nicht erteilt ist, liegt nach der Gesetzesbegründung "im Zweifel" (zunächst) ein Fall des § 4f Abs. 2 EStG vor. Eine nachträgliche Genehmigung stellt wegen § 184 Abs. 1 BGB ein rückwirkendes Ereignis (§ 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO) dar, sodass § 4f Abs. 1 EStG m. E. auch dann anzuwenden ist, wenn die Genehmigung erst in einem späteren Wirtschaftsjahr erfolgt, als die Übertragung der Verpflichtung vereinbart wurde.