Prof. Dr. Gerrit Frotscher, Prof. Dr. Christoph Watrin
4.3.7.1 Allgemeines
Rz. 118
Obligatorische Nutzungsrechte (Miete, Pacht, Leihe, Darlehen, Lizenzen usw.) sind grundsätzlich selbstständige Wirtschaftsgüter und daher dem Grundsatz nach bilanzierungsfähig. Allerdings beruhen diese Nutzungsrechte regelmäßig auf schuldrechtlichen Verträgen und begründen Dauerschuldverhältnisse (z. B. Miete, Pacht). Für diese gilt der Grundsatz der Nichtbilanzierung schwebender Verträge, der der Bilanzierung der Nutzungsrechte vorgeht. Nutzungsrechte aufgrund von Dauerschuldverhältnissen können daher nicht bilanziert werden; Gewinn- und Verlustrealisierung tritt ein bei Ziehen der Nutzungen bzw. bei Entrichtung der Gegenleistung. Ein Vorziehen der Ergebnisauswirkung ist mit steuerlicher Wirkung nicht möglich, da Rückstellungen für drohende Verluste nicht gebildet werden dürfen.
Diese Grundsätze gelten unabhängig davon, ob die Gegenleistung an den das Nutzungsrecht einräumenden Vertragspartner laufend oder als Einmalzahlung erbracht wird. Einmalzahlungen stellen regelmäßig keine Anschaffungskosten für das Nutzungsrecht dar, sondern vorausgezahltes Nutzungsentgelt, jedenfalls, soweit sie für eine bestimmte Zeit gezahlt werden. Sie sind bei dem Zahlenden zu aktivieren, bei dem Empfangenden zu passivieren und über die Laufzeit des Nutzungsrechts aufzulösen. Das gilt auch, wenn neben der Einmalzahlung kein laufendes Nutzungsentgelt entrichtet wird. Anschaffungskosten liegen in diesen Fällen nur vor, wenn das wirtschaftliche Eigentum an dem zu nutzenden Wirtschaftsgut aufgrund der Vertragsgestaltung übergeht, weil der Nutzungsvertrag bindend für die gesamte Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts abgeschlossen wurde (vgl. zu dem gleichgelagerten Problem bei Erbbaurechten Rz. 191).
Anders ist es jedoch, wenn die Vergütung an den Nutzenden für die Übertragung der Nutzungsbefugnis gezahlt wird. Zahlt der Kaufmann dem Mieter eine Geldsumme, um den Mietvertrag, und damit das Nutzungsrecht an der gemieteten Sache, übernehmen zu können, handelt es sich um Anschaffungskosten für das Nutzungsrecht. Vorausgezahlte Mietzinsen oder sonstige Nutzungsvergütungen können nicht vorliegen, da die Zahlung nicht an den die Nutzung einräumenden Eigentümer erfolgt (vgl. § 4 Rz. 190ff.).
4.3.7.2 Miet- und Pachtverhältnisse
Rz. 119
Miet- und Pachtverhältnisse werden grundsätzlich nicht bilanziert, da es sich um schwebende Verträge handelt (vgl. Rz. 79ff., 118; BFH v. 17.2.1998, VIII R 28/95, BStBl II 1998, 505, BFH/NV 1998, 1407).
Der Mieter bzw. Pächter wird grundsätzlich nicht wirtschaftlicher Eigentümer des gemieteten bzw. gepachteten Anlagevermögens, er darf die Gegenstände daher nicht aktivieren. Dementsprechend hat der Vermieter bzw. Verpächter die vermieteten bzw. verpachteten Gegenstände in seine Bilanz aufzunehmen. Er hat die AfA vorzunehmen, auch wenn der Mieter/Pächter zur Erneuerung der Gegenstände verpflichtet ist und damit den Wertverzehr trägt.
Vermietet der Mieter die gemietete Sache weiter (Untermietvertrag), sind Miet- und Untermietvertrag getrennt zu behandeln, d. h. jeweils als schwebende Geschäfte nicht zu bilanzieren. Eine Saldierung von Forderungen und Verpflichtungen aus dem Miet- und dem Untermietvertrag kommt nicht in Betracht.
Rz. 120
Trifft den Pächter die Pflicht, die Pachtgegenstände zu erneuern ("eiserne Verpachtung"), erwirbt der Verpächter mit fortlaufendem Wertverzehr der gepachteten Wirtschaftsgüter einen Anspruch gegen den Pächter auf Erneuerung der Pachtgegenstände, der laufend während der Pachtzeit entsteht und daher als Wirtschaftsgut zu aktivieren ist. Solange der Pächter seine Verpflichtung zur Erneuerung der Pachtgegenstände nicht erfüllt hat, ist das Gleichgewicht des Pachtverhältnisses gestört (Erfüllungsrückstand); diese noch nicht erfüllte Verpflichtung ist auch im Rahmen des schwebenden Vertrags bilanziell zu erfassen.
Der Anspruch ist zu jedem Bilanzstichtag unter Berücksichtigung der Wiederbeschaffungskosten zu bewerten. Er beträgt bei Pachtbeginn 0 und baut sich bis zur Ersatzbeschaffung des jeweiligen Wirtschaftsguts auf. Diese Aktivierung hat in der Höhe der entsprechenden Rückstellung des Pächters zu erfolgen (vgl. Rz. 458 "Inventarerneuerungsverpflichtung"). Der Aktivposten in der Bilanz des Verpächters wird daher mit dem Betrag ausgewiesen, der den Wiederbeschaffungswert der verpachteten Wirtschaftsgüter am jeweiligen Bilanzstichtag und den bisherigen Wertverzehr bzw. die Zeit bis zur Ersatzbeschaffung widerspiegelt.
Entsprechendes gilt für den Erhaltungsanspruch des Verpächters. Auch insoweit besteht ein bilanzierungsfähiger Anspruch des Verpächters, der sich mit der Entstehung des Erhaltungsbedarfs fortlaufend konkretisiert und als Anspruch in der Bilanz des Verpächters zu aktivieren ist. Dass es sich um Erhaltungsaufwand handelt, steht der Aktivierung nicht entgegen, da es um die Bilanzierung...