Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 34
Die Rechtsfolgen, d. h. die Übertragung des Erstattungsanspruchs auf das Zurechnungssubjekt, wirken sich bei einer materiellen und formellen Auslegung der Vorschrift jeweils unterschiedlich aus. Weiter ist zu unterscheiden zwischen Erstattung der Abzugsteuer auf Lizenzen nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG und bei Erstattung der KapESt. Weiter zu berücksichtigen ist, dass der Erstattungsanspruch nach Art. 10 Abs. 2 Buchst. a, Art. 12 Abs. 1 OECD-MA nur dem "Nutzungsberechtigten" (Rz. 33t) zusteht, sowie, ob der Gläubiger der Erträge oder Vergütungen nach dem DBA abkommensberechtigt ist.
Beispiel 1
Grundfall der Zwei-Staaten-Fälle
Die deutsche A-GmbH zahlt an die im Staat B ansässige Gesellschaft Lizenzgebühren. Die Gesellschaft wird von dem Staat B als transparent angesehen; Deutschland qualifiziert sie als transparent oder als intransparent. Die Gesellschafter sind im Staat B ansässig.
Beispiel 1 zeigt den Grundfall, der § 50d Abs. 1 S. 11 EStG zugrunde liegt, auf. Gläubiger der Vergütungen ist die Gesellschaft, der jedoch die Einkünfte nach dem Recht des Staats B nicht zugerechnet werden. Der Tatbestand des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG ist damit erfüllt. Es kommt nicht darauf an, ob Deutschland die Personengesellschaft als transparent oder intransparent ansieht; in beiden Fällen greift § 50d Abs. 1 S. 11 EStG ein (Rz. 33k). Rechtsfolge ist, dass der Erstattungsanspruch anteilig den Gesellschaftern zusteht, da sie in dem Staat der Personengesellschaft ansässig sind und die Einkünfte ihnen nach dem Recht des Staats B zugerechnet werden. Diese Rechtsfolge ist unabhängig davon, ob man § 50d Abs. 1 S. 11 EStG materielle oder nur formelle Wirkung zuerkennt, da der Erstattungsanspruch weder dem Grund noch der Höhe nach rechtsformabhängig ist. Bei materieller Wirkung würde jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Teil des Erstattungsanspruchs als Berechtigter geltend machen. Bei formeller Wirkung würde jeder Gesellschafter den auf ihn entfallenden Anteil an dem Erstattungsanspruch der Gesellschaft, also in einer "Prozessstandschaft" für die Gesellschaft, geltend machen.
Problematisch ist aber, ob die Gesellschafter als "Nutzungsberechtigte" angesehen werden können; das ist nach der anwenderstaatorientierten Betrachtungsweise an sich nicht der Fall, wenn Deutschland die Gesellschaft als intransparent einstuft. Insoweit muss man m. E. aber § 50d Abs. 1 S. 11 EStG Wirkung auch für die Nutzungsberechtigung zuerkennen, da sonst ein nach DBA eindeutig bestehender Anspruch beseitigt werden würde (Rz. 33t). § 50d Abs. 1 S. 11 EStG soll Qualifikationskonflikte vermeiden, nicht aber eindeutig bestehende Ansprüche ausschließen. Die Gesellschaft selbst kann keine Erstattung beantragen, da nach § 50d Abs. 1 S. 11 EStG "nur" die Zurechnungsberechtigten (d. h. die Gesellschafter) den Anspruch geltend machen können. Gegenüber der bisherigen Rechtslage führt die Vorschrift zu einer Änderung für den Fall, dass Deutschland die Gesellschaft als intransparent qualifiziert. Dann stünde nach der anwenderstaatorientierten Betrachtungsweise der Erstattungsanspruch der Gesellschaft zu, die aber nicht abkommensberechtigt ist, da sie als in ihrem Staat nicht stpfl. Gesellschaft nicht "ansässig" ist.
Beispiel 2
Abwandlung zum Grundfall der Zwei-Staaten-Fälle
Wie Beispiel 1, jedoch sieht Deutschland die Gesellschaft als transparent an, während der Staat B die Gesellschaft intransparent besteuert.
Auch in Beispiel 2 ist der Tatbestand des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG erfüllt, da Deutschland die Erträge nicht der Gesellschaft, sondern den Gesellschaftern zurechnet. Da der Staat B die Erträge der Gesellschaft zurechnet, steht nur dieser der Erstattungsanspruch zu; die Gesellschafter sind mit einem etwaigen Erstattungsanspruch ausgeschlossen. Auch diese Rechtsfolge ist unabhängig davon, ob § 50d Abs. 1 S. 11 EStG materielle oder nur formelle Wirkung zuerkannt wird. Ohne § 50d Abs. 1 S. 11 EStG hätten aus deutscher Sicht die Gesellschafter den Erstattungsanspruch, da sie als ansässige Personen, ebenso wie die Gesellschaft, abkommensberechtigt sind. Allerdings wäre aus Sicht der Gesellschafter schwer verständlich, dass sie einen Erstattungsanspruch geltend machen sollten, der aus ihrer Sicht der Gesellschaft zusteht. § 50d Abs. 1 S. 11 EStG führt insoweit zu mehr Klarheit.
Beispiel 3
Gesellschaft wird von beiden Staaten als intransparent gesehen
Wie Beispiel 1, jedoch sehen sowohl Deutschland als auch der Staat B die Gesellschaft als intransparent an.
In diesem Fall ist der Tatbestand des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG nicht erfüllt, da sowohl nach dem Recht des Staats B als auch nach dem der Bundesrepublik die Erträge der Gesellschaft zugerechnet werden. Für eine Anwendung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG besteht auch kein Bedürfnis, da weder nach dem Recht der Bundesrepublik noch nach dem Recht des Staats B Gläubigerstellung und steuerliche Zurechnung auseinanderfallen.
Rz. 34a
Problematisch wird die Regelung des § 50d Abs. 1 S. 11 EStG jedoch, wenn es sich um die E...