Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 115
§ 50d Abs. 3 S. 2 EStG enthält eine nähere Bestimmung des Beurteilungsrahmens. Danach dürfen der Beurteilung, ob die Tatbestände der Nrn. 1 und 2 (bis 31.12.2011: Nrn. 1–3) erfüllt sind, nur die Verhältnisse der ausl. Gesellschaft selbst zugrunde gelegt werden, die die Steuerentlastung geltend macht. Merkmale anderer Unternehmen desselben Konzerns bleiben außer Betracht (keine Merkmalsübertragung). Diese Bestimmung bezieht sich nach dem Wortlaut der Vorschrift auf beide (bis 31.12.2011: auf alle drei) Tatbestände des Abs. 3 (vgl. aber Rz. 116a). könne, weil die Gründe für die "Einschaltung" der Gesellschaft immer auf der Ebene des Gesellschafters liegen, nicht auf der der eingeschalteten Gesellschaft. Dies ist eine sehr enge Wortauslegung, die nicht geeignet ist, den Sinn der Vorschrift zu erschließen. Eigene wirtschaftliche Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft liegen vor, wenn diese die volle Funktion hinsichtlich der entlastungsberechtigten Erträge selbst erfüllt; sie liegen nicht vor, wenn sie funktionsentleert ist und nur der Reduzierung der Abzugsteuer dient. In DBA kann eine Merkmalsübertragung zugelassen sein; eine solche Regelung hat Vorrang vor § 50d Abs. 3 S. 2 EStG.
Rz. 115a
Außer Betracht bleiben auch Merkmale von Gesellschaftern, die keine Unternehmen sind, sondern natürliche Personen, die die Beteiligung im Privatvermögen halten. Die Erwähnung der "Unternehmen" im zweiten Halbs. des S. 2 dient nur der Erläuterung. Maßgebend ist der erste Halbs., wonach ausschließlich die Verhältnisse der ausl. Gesellschaft maßgebend sind. Das schließt die Berücksichtigung von Verhältnissen des nicht unternehmerischen Gesellschafters ebenso aus wie die eines Unternehmens.
Rz. 116
Das bedeutet, dass Verhältnisse und Merkmale anderer konzernangehöriger Gesellschaften oder des Gesamtkonzerns nicht berücksichtigt werden dürfen
- bei der Frage, ob für die Einschaltung der ausl. Gesellschaft bezüglich der nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammenden Erträge wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe vorliegen; es ist also die Beachtlichkeit der Gründe nur auf diese Gesellschaft zu beziehen; Konzernüberlegungen, die Aspekte des Konzerns, nicht die die Entlastung beantragende Gesellschaft betreffen, sind außer Betracht zu lassen. Berücksichtigt werden dürfen aber Aspekte von Tochter- und Enkelgesellschaften der die Entlastung beantragenden Gesellschaft. Ist sie eine Holding, sind Struktur- und Strategieaspekte für den Teilkonzern, dessen Spitze diese Gesellschaft ist, "eigene" Merkmale dieser Gesellschaft.
- bei der Frage, ob die Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit erzielt werden; Erträge anderer konzernangehöriger Gesellschaften, auch von Tochtergesellschaften und von Personengesellschaften, an denen die die Entlastung beantragende Gesellschaft beteiligt ist, sind daher außer Betracht zu lassen.
- bei der Frage, ob die Gesellschaft mit einem für ihren Geschäftszweck angemessenen Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt. Nicht zu berücksichtigen sind daher der Geschäftsbetrieb und die Teilnahme am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr anderer Konzerngesellschaften einschl. der Tochtergesellschaften der die Entlastung beantragenden Gesellschaft.
Rz. 116a
Als Merkmale, die nach S. 2 außer Betracht zu lassen sind, nennt das BMF die Sicherung des Inlandsvermögens in Krisenzeiten, die Sicherung der künftigen Erbregelung, den Aufbau der Alterssicherung eines Gesellschafters, die Koordination, die Organisation, den Aufbau der Kundenbeziehung, Kosten, örtliche Präferenzen oder die gesamtunternehmerische Konzeption. Außer Betracht zu lassen ist auch die Einschaltung der Gesellschaft zur Vorbereitung einer Wohnsitzverlegung des Gesellschafters. Es ist allein auf die Gesellschaft abzustellen sowie auf die in ihrer Person eingetretenen wirtschaftlichen oder sonstigen Gründe. Merkmale der Konzernpolitik sind nicht relevant. In der Praxis dürfte das Verbot der Merkmalsübertragung insoweit Probleme bereiten. Ob für die "Einschaltung der Gesellschaft" beachtliche Gründe vorliegen (so Nr. 1), kann nicht ausschließlich nach den Verhältnissen dieser Gesellschaft beurteilt werden. Da diese Gesellschaft sich nicht selbst einschalten kann, sondern die Einschaltung immer durch die Gesellschafter erfolgt, lassen sich die Gründe für die "Einschaltung" nur aus Sicht der Gesellschafter beurteilen. Es sind kaum Gründe für die Einschaltung der Gesellschaft denkbar, die sich nur aus den Verhältnissen dieser Gesellschaft, und nicht aus der Sicht der Gesellschafter, ergeben. Da insoweit eine nahezu unmögliche Beurteilung verlangt wird, ist m. E. das Verbot der Anteilsübertragung im Wege der teleologischen Reduktion nur auf die "eigene Wirtschaftstätigkeit" und das Merkmal der Nr. 2 zu beziehen.
Rz. 117
Es wurde die Frage aufgeworfen, ob das Verbot der Merkmalsübertragung auch dann gilt, wenn die ausl. Gesellschaft mit anderen Gesellschaften in einem organschaftsähnlichen...