Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 267
Ohne dass dies im Gesetzestext ausdrücklich geregelt ist, muss die Beziehung zwischen Gesellschafter und Personengesellschaft bzw. KGaA grenzüberschreitend sein, weil anderenfalls ein DBA nicht anwendbar wäre. Der Gesellschafter muss also in einem anderen Staat ansässig sein als die Personengesellschaft bzw. die KGaA bzw. die Betriebsstätte der Personengesellschaft oder KGaA, der die Sondervergütungen als Aufwendungen zuzurechnen sind.
Rz. 268
Zusätzlich muss zwischen dem Staat der Ansässigkeit des Gesellschafters und dem Staat der Geschäftsleitung der Personengesellschaft, dem Staat der Ansässigkeit der KGaA oder dem Belegenheitsstaat der Betriebsstätte der Personengesellschaft oder KGaA ein DBA bestehen, sodass die Frage zu entscheiden ist, welchem der beiden Staaten nach den Verteilungsnormen des einschlägigen DBA das Besteuerungsrecht für die Sondervergütungen zusteht. Besteht zwischen den beiden betroffenen Staaten kein DBA, ist die Vorschrift nicht anwendbar. In diesem Fall gilt § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG uneingeschränkt, sodass Deutschland die Sondervergütungen besteuert.
Rz. 269
Weitere Tatbestandsvoraussetzung für die Anwendbarkeit des Abs. 10 ist, dass das einschlägige DBA keine ausdrückliche Regelung enthält, die das Besteuerungsrecht für Sondervergütungen regelt.
"Ausdrücklich" ist eine Regelung, wenn sie konkret auf die Sondervergütungen bezogen ist und nur das Besteuerungsrecht für Sondervergütungen regelt. Eine Bestimmung, die allgemeine Regeln enthält und auch oder sogar in erster Linie auf andere Einkünfte als Sondervergütungen anwendbar ist, wie z. B. Art. 11, 12 OECD-MA, ist keine die Sondervergütungen betreffende ausdrückliche Regelung. Dagegen ist nicht Voraussetzung, dass das DBA der Bundesrepublik ein ebenso weitgehendes Besteuerungsrecht wie § 50d Abs. 10 EStG zuweist, z. B. für nachträgliche Einkünfte aus den Sondervergütungen. Maßgebend ist nur, dass das DBA überhaupt eine speziell für Sondervergütungen geltende Regelung enthält, um § 50d Abs. 10 EStG zu verdrängen. Inhalt und Umfang der Regelung sind dagegen ohne Bedeutung.
Rz. 269a
Das DBA muss, um die Anwendung des Abs. 10 auszuschließen, eine ausdrückliche Regelung gerade für die infrage stehenden Sondervergütungen enthalten. Erhält der Gesellschafter z. B. Sondervergütungen für Arbeits- oder Dienstleistungen im Interesse der Personengesellschaft, enthält das einschlägige DBA aber nur ausdrückliche Regelungen für Zinsen und Lizenzgebühren, enthält das DBA keine ausdrückliche Regelung, die gerade diese Vergütungen betrifft; daher wäre Abs. 10 anwendbar.
Rz. 270
Eine ausdrückliche Regelung zu Sondervergütungen enthalten nur wenige DBA. Diese DBA beziehen sich, soweit ersichtlich, auf alle Sondervergütungen i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 S. 1 zweiter Halbs. EStG und § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 EStG. Sie enthalten die Bestimmung, dass zu den Unternehmensgewinnen auch die genannten Sondervergütungen gehören, wenn diese Vergütungen nach dem Recht des Vertragsstaats, in dem die Betriebsstätte belegen ist, also z. B. nach dem Recht des Staats der Geschäftsleitung der Personengesellschaft, den Einkünften des Gesellschafters aus dieser Betriebsstätte zugerechnet werden. Da Betriebsstättenstaat der inländischen Personengesellschaft in den hier interessierenden Fällen die Bundesrepublik ist, und in der Bundesrepublik die Sondervergütungen als Einkünfte aus der Personengesellschaft, und damit aus Betriebsstätten der Personengesellschaft erfasst werden, bedeutet dies nach den genannten DBA, dass die Sondervergütungen als Einkünfte aus der Betriebsstätte der Personengesellschaft dem Besteuerungsrecht der Bundesrepublik unterliegen.