Dipl.-Finanzwirt Rüdiger Happe, Prof. Dr. Axel Mutscher
Rz. 521
Der Teilwert ist nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG rückwirkend anzusetzen, wenn das nach S. 3 übertragene Wirtschaftsgut innerhalb der dreijährigen Sperrfrist veräußert oder entnommen wird. Zweck der Sperrfrist ist es, Steuervorteile zu verhindern, die nicht der Umstrukturierung von Personengesellschaften dienen, sondern in Anspruch genommen werden, um stille Reserven zunächst auf einen anderen Rechtsträger zu verlagern, damit dieser sie alsbald realisieren kann. Ggf. ist rückwirkend auf den Zeitpunkt der Übertragung der Teilwert anzusetzen, den das Wirtschaftsgut im Zeitpunkt der Übertragung hatte. Steuer- und Feststellungsbescheide werden auf den entsprechenden Veranlagungszeitraum nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO geändert. Es können Nachzahlungszinsen nach § 233a AO entstehen.
Rz. 521a
Die Begriffe "Veräußerung" und "Entnahme" sind im ertragsteuerlichen Sinne zu verstehen. Keine Verletzung der Sperrfrist tritt ein, wenn die nachfolgende Übertragung ebenfalls wieder unter § 6 Abs. 5 S. 3 EStG fällt, wenn bei einer Realteilung für die übertragenen Wirtschaftsgüter eine neue Sperrfrist ausgelöst wird oder wenn das Wirtschaftsgut aufgrund höherer Gewalt (Zerstörung, Untergang etc.) aus dem Betriebsvermögen ausgeschieden ist. Allerdings beginnt die Sperrfrist neu zu laufen. Bei einer nachfolgenden Überführung nach § 6 Abs. 5 S. 1 und 2 EStG liegt ebenfalls keine Verletzung der Sperrfrist vor; allerdings läuft hier die ursprüngliche Sperrfrist weiter, da eine Überführung keine neue Sperrfrist auslösen kann. Eine "fiktive" Entnahme i. S. v. § 4 Abs. 1 S. 3 EStG oder eine "fiktive" Veräußerung i. S. v. § 12 Abs. 1 KStG innerhalb der Sperrfrist ist jedoch schädlich und führt zum rückwirkenden Ansatz des Teilwerts auf den Übertragungsstichtag. Als Veräußerung innerhalb der Sperrfrist gilt z. B. auch eine Umwandlung oder eine Einbringung i. S. d. UmwStG, unabhängig davon, ob die Buchwerte, gemeinen Werte oder Zwischenwerte angesetzt werden, wenn zu dem eingebrachten Betriebsvermögen ein Wirtschaftsgut gehört, für das noch die Sperrfrist nach § 6 Abs. 5 S. 4 EStG läuft. Auch ein fiktiver Formwechsel nach § 1a Abs. 2 KStG kann dazu führen, dass Sperrfristverletzungen ausgelöst werden. Wird nicht das einzelne, vorher übertragene Wirtschaftsgut veräußert, sondern veräußert ein Gesellschafter seine Beteiligung an der Mitunternehmerschaft, ist § 6 Abs. 5 S. 4 EStG nicht anwendbar.
Rz. 521b
Der rückwirkende Teilwertansatz lässt sich nach § 6 Abs. 5 S. 4 Halbs. 2 EStG vermeiden, indem die bis zur Übertragung entstandenen stillen Reserven dem Übertragenden durch eine Ergänzungsbilanz zugeordnet werden. Dieses Wahlrecht muss in der Bilanz zum Ende des Wirtschaftsjahrs der Übertragung ausgeübt werden. Durch eine solche Ergänzungsbilanz wird verhindert, dass stille Reserven vom Übertragenden auf die Mitgesellschafter überspringen. Bei Ausübung des Wahlrechts wird das übertragene Wirtschaftsgut in der Gesellschaftsbilanz mit dem Teilwert angesetzt, dann aber in der Ergänzungsbilanz mit einem negativen steuerlichen Kapital zulasten des Übertragenden neutralisiert.
Rz. 521c
Wird ein Wirtschaftsgut z. B. durch einen an einer Kommanditgesellschaft zu 100 % beteiligten Kommanditisten aus dessen Sonderbetriebsvermögen übertragen (kein Überspringen von stillen Reserven auf andere Stpfl.), so kommt die Sperrfristregelung nicht zur Anwendung, unabhängig davon, ob in der Gesamthandsbilanz der Teilwert (nebst Ergänzungsbilanz) oder der bisherige Buchwert angesetzt wird.